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Altes Material erfrischend neu: Valerian Die Stadt der tausend Planeten

posted by Johannes Mayrhofer 27. Juli 2017 0 comments

Man stelle sich folgende Geschichte vor: Ein junger gewöhnlicher Mann (oder leider nur selten auch eine Frau) muss meist widerwillig und durch einen Schicksalsschlag (Actionszene 1) erkennen, dass er (selten sie) zu höherem geboren ist. Er (selten sie) zieht aus, begegnet seinem bösen Spiegelbild, in der Mitte der Handlung gibt’s eine zweite große Actionszene, bevor sich alles unausweichlich aufs Grande Finale zubewegt, wo der Protagonist oder selten die Protagonistin dann den Antagonisten oder die Antagonistin ordentlich vermöbelt und die Welt oder die Galaxie rettet. Die Handlung ist zielgerichtet, die Helden und Orte austauschbar. Dieser Formel folgt Star Wars, (der Neubeginn von) Star Trek, Man of Steel, Wonder Woman und fast jeder Marvel-Film. In der Spielebranche ist das ewiggleiche Abarbeiten desselben erfolgversprechenden Schemas mittlerweile unter dem unrühmlichen Begriff „Ubisoft-Formel“ verschrien und neue Spiele versuchen sich von dieser Formel zu lösen und wieder innovativere Wege zu gehen. Diese Abnabelung hat in Hollywood noch nicht stattgefunden und solang die Einspielergebnisse stimmen, wird sich daran auch nichts ändern.

Aber plötzlich steht der französische Filmemacher Luc Besson im Raum und macht alles anders. Luc, der uns mit großartigen Werken wie Leon – der Profi begeisterte, Bruce Willis auf der Suche nach dem fünften Element mit einem schwebenden Taxi herumfliegen ließ und der sich meines Erachtens nach mit seinen letzten Werken in letzter Zeit wenig mit Ruhm bekleckert hatte. Glaubt man der PR hat er sich nun mit der Verfilmung des französischen Comics Valerian et Laureline einen alten Herzenswunsch erfüllt. In Film Valerian – die Stadt der tausend Planeten geht es allerdings nicht – wie der Titel vermuten lässt – um eine Stadt namens Valerian, sondern um die beiden Agenten Valerian (Dane DeHaan) und Laureline (Cara Delevingne), die durchs All fliegen und in allerhand verrückte Abenteuer geraten.

Das Comic hat übrigens auch Star Wars zumindest in Design-Fragen stark inspiriert und Science Fiction-Fans sollten allein deshalb schon einen Blick in Luc Bessons verrückten Film werfen.

Der Film Valerian folgt entfernt der Handlung der beiden Comicbände Im Reich der Tausend Planeten und Botschafter der Schatten, gönnt sich allerdings große erzählerische Freiheiten. So ist die Stadt der tausend Planeten im Comic etwa nicht menschlichen Ursprungs, im Film schon.

Valerian und Laureline sind zwei Agenten, die zunächst von einem multidimensionalen Marktplatz, dessen Szenen aus optischer Sicht allein schon den Kino-Besuch rechtfertigen, etwas beschaffen, was sie später auf Alpha, der Raumstation auf der viele tausend Aliens gemeinsam leben, in ein turbulentes Abenteuer verstrickt. Ein Abenteuer, das Augenmerk aufs Detail legt und sich nicht davor scheut, auch Umwege zu gehen, die die Handlung nicht voran treiben, uns aber tiefere Einblicke in dieses fantastische Universum bieten. Die eigentliche Handlung von Valerian wird zum Teilaspekt des Films, die Besichtigung der farbenfrohen und fremdartigen Welt des Comics auf der großen Leinwand zu einem anderen.

Diese Umwege sind letztendlich die große Stärke des Films, wenn man sich denn darauf einlassen möchte. Hier wird Tschechow und seinem Gewehr eine klare Absage erteilt. Figuren tauchen auf, spielen keine Rolle mehr, Ereignisse finden statt, weil sie eben passieren und nicht, weil sie die Handlung vorantreiben. In einer Zeit, in der scheinbar alle Blockbuster aus derselben zielfokussierten Schablone gepresst werden, wird die rasante und unvorhersehbare Reise durch Alpha – die Stadt der tausend Planeten – so zum wahren Genuss. Auch wenn die eigentliche Handlung letzten Endes bei ihrer Aufklärung ziemlich hinkt, macht der Weg dorthin jede Menge Spaß.

Valerian scheint sich an die Grundwerte der Science Fiction zu erinnern: Der Film entführt uns in ein fremdes Universum, das wir nicht verstehen, dem wir aber staunend begegnen können. Ich wünschte wirklich, mehr Fantasy- und Science Fiction-Filme würden sich trauen, diese Umwege zu gehen, und ihre kreative Welt zur eigenen Hauptdarstellerin machen.

 

Valerian and the City of a Thousand Planets
dt. Titel: Valerian Die Stadt der Tausend Planeten

Regie: Luc Besson
Drehbuch: Luc Besson
Soundtrack: Alexandre Desplat
Cast: Dane DeHaan, Cara Delevingne, Clive Owen, Sam Spruell, Kris Wu, Rihanna, Ethan Hawke, Herbie Hancock
Laufzeit: 137 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 27.07.17 (AT)

Das Titelbild stammt von der offiziellen Homepage des Films.

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