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Geht unter die Haut – Get Out

posted by Johannes Mayrhofer 31. Mai 2017 0 comments

Spätestens seit ein gewisser George Andrew Romero 1968 seinen Zombiestreifen Night of the Living Dead veröffentlichte, sollte klar sein: Sozialkritik und Horror passen hervorragend zusammen! Fast 40 Jahre nachdem der dunkelhäutige Ben in Romeros Night of the Living Dead sein unrühmliches Ende fand, zieht Jordan Peele aus, um erneut mit einem Horrorfilm auf Rassismus aufmerksam zu machen. Das Ergebnis heißt Get Out und überzeugt und überrascht nicht nur auf inhaltlicher, sondern auch auf filmtechnischer Ebene.

Chris (Daniel Kaluuya) soll über das Wochenende erstmals mit seiner Freundin Rose (Allison Williams) – sie sind fünf Monate zusammen – zu ihren Eltern in deren stattliches Haus am See fahren. Chris hat gewisse Bedenken, wie Rose’ Eltern auf seine dunkle Hautfarbe reagieren werden, doch Rose versichert ihm, dass ihre Eltern freundlich und liberal seien und das kein Problem darstellen würde.

ACHTUNG: Spoiler im Trailer!

Dass Schwarze häufig mit unangenehmen Situationen konfrontiert werden, die Weiße normalerweise nicht erleben, sehen wir bereits zu Beginn des Films, als Rose einen Unfall baut und der Streifenpolizist völlig willkürlich Chris’ Ausweis sehen will. Während Rose protestiert, ist Chris derlei scheinbar gewohnt und reicht dem Polizisten unterwürfig seinen Ausweis. Die Eltern sind dann tatsächlich äußerst aufgeschlossen und kommen nicht umhin, zu beteuern, wie sehr sie Tiger Woods oder Obama bewundern. Noch merkwürdigere und unangenehmere Komplimente bekommt Chris schließlich bei einer großen Familienfeier, die zufällig an diesem Wochenende stattfindet. Obwohl die ganze Familie und deren Freunde so liberal scheinen, ist es eigenartig, dass die einzigen Schwarzen trotzdem fast wie willenlose Marionetten an den Geschehnissen teilnehmen. Ja sie scheinen fast wie Schatten, die ferngesteuert Befehle ausführen. Dass Rose’ Mutter, die Therapeutin ist, Chris mithilfe von Hypnose von seiner Zigarettensucht befreien will, macht die Situation für Chris noch unheimlicher. Schließlich konfrontiert Chris seine Freundin Rose und teilt ihr mit, dass er zurück in die Stadt will. Rose scheint irritiert, hat gleichzeitig aber auch Verständnis. Mehr kann man über Get Out nicht erzählen, ohne die Geschichte, die Spannung und das gelungene Spiel mit Erwartungen zu verderben.

Als Zusehende fragen wir uns bei dem unangenehmen Treiben: Bildet Chris sich alles nur ein? Bekommt er das übertrieben aufgeschlossene Handeln der Familie in den falschen Hals? Handelt es sich um positiven Rassismus? Ist Chris’ Freund, der mit Chris regelmäßig telefoniert und behauptet, die Familie würde Schwarze hypnotisieren und zu Sexsklaven machen, etwa paranoid?

Get Out ist einer jener Filme, die nicht vorbei sind, wenn der Nachspann zu Ende ist. Einige Details der verstörenden Geschichte haben sich uns erst nach intensiven Gesprächen im Nachhinein erschlossen und selbst wenn man sich weigert, später noch darüber nachzudenken, lässt uns der Film die volle Wucht des Alltagsrassismus durch Chris’ Augen miterleben, ohne dabei aber erzwungen konstruiert und aufgesetzt zu wirken.

Damit überträgt Get Out ein ähnlich unangenehmes Schuldbewusstsein, wie es etwa auch Funny Games von Haneke vollbringt. Man sitzt in seinem Kinosessel und fühlt sich überführt, obwohl die Thematik in den USA zweifellos noch deutlich aktueller als bei uns ist.

Auf technischer Seite zeigt Regisseur und Drehbuchautor Jordan Peeler, dass er sein Handwerk und auch das Genre perfekt verstanden hat. Seine Inszenierung hat nichts billiges, sein Drehbuch spielt mit Genretropen, nur um sie immer wieder sehr geschickt zu brechen, wodurch unsere Erwartungshaltung des Öfteren in die Irre geführt wird.

Get Out ist ein spannender Horror-Thriller mit Mystery-Elementen, über den man vor dem Genuss am besten so wenig wie möglich weiß. So viel sei allerdings gesagt: angenehm ist der Film weder in seiner Bildsprache noch in seiner ernsten Thematik!

Get Out
Regie: Jordan Peele
Drehbuch: Jordan Peele
Soundtrack: Michael Abels
Cast: Daniel Kaluuya, Allison Williams, Catherine Keener, Bradley Whitford, Caleb Landry Jones
Laufzeit: 104 Minuten
FSK: 16 Jahre
Kinostart: 13.04.17 (AT)

Das Titelbild stammt von der offiziellen  Homepage.

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