Politik

Französische Präsidentschaftswahlen: Wird aus dem Zweikampf noch ein Vierkampf?

posted by Andreas Eisl 14. April 2017 0 comments

Andreas Eisl berichtet für Hallo Salzburg vom (Vor)-Wahlkampf um die Präsidentschaft in Frankreich. In der bisherigen Beitragsserie hat er bereits folgende Themen beleuchtet:
1. Die Zersplitterung des linken Lagers
2. Das Politische System Frankreichs
3. Die Macht des Präsidenten in der 5. Republik

4. Die französischen Präsidenten seit De Gaulles
5. Die französischen Präsidenten und ihre Denkmäler


In knapp einer Woche, am 23. April 2017,  wird in Frankreich die erste Runde der Präsidentschaftswahlen abgehalten. Elf Kandidat_innen kämpfen dabei um den Einzug in die Stichwahl, die zwei Wochen darauf am 07. Mai 2017 folgt. Und sah es zwischenzeitlich schon danach aus, als ob Emmanuel Macron (En Marche!) und Marine Le Pen (Front National) sich die Präsidentschaft mit großer Wahrscheinlichkeit untereinander ausmachen würden, so haben die letzten Wochen teilweise deutliche Verschiebungen in den Wahlumfragen ergeben.

Während sowohl Macron als auch Le Pen in der Wähler_innengunst mit leichten Verlusten kämpfen zu haben und der Konservative François Fillon weiterhin auf niedrigem Niveau verharrt, so hat besonders der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon seinem Konkurrenten der Parti Socialiste, Benoît Hamon, den Rang abgelaufen. Mittlerweile liegt der charismatische 65-Jährige praktisch gleichauf mit dem Kandidaten der konservativen Republicains. Speziell für die moderate Linke (die mit Hamon eigentlich einen deutlich links positionierten Kandidaten in das Rennen schickt) könnte die erste Runde der Präsidentschaftswahl nun zum Debakel werden. Auf der konservativen Seite knabbert der Gaullist Nicolas Dupont-Aignan stärker als erwartet an den Wähler_innen von Fillon und könnte diesem im Gefolge seiner skandalumwitterten Kandidatur jegliche Chancen zunichte machen. Die restlichen fünf Kandidat_innen, die das gesamte politische Spektrum abdecken, werden größtenteils keine Rolle spielen. Höchstens der antikapitalistische Gewerkschafter Philippe Poutou könnte Mélenchon eventuell noch das ein oder andere dringend nötige Prozent abluchsen. Die kommunistische Kandidatin Nathalie Arthaud (mit ihr tritt neben Le Pen zumindest eine weitere Frau an), der sozialistisch eingestellte Jacques Cheminade, der Mittekandidat Jean Lasalle, sowie der Anti-EU-Kämpfer François Asselineau konnten bisher kaum überzeugen.

2 Debatten näher an der Entscheidung

Die beiden bisherigen TV-Debatten haben sicher einen zentralen Anteil an den aktuellen Verschiebungen in den Wahlumfragen. Bereits am 20. März wurden die fünf zu diesem Zeitpunkt stimmenstärksten Kandidat_innen zu einer Fernsehdiskussion des früheren staatlichen und reichweitenstärksten Senders TF1 geladen. Dies führte bereits am Tag zuvor zu einem Eklat, als Dupont-Aignan bei einem Interview des gleichen Senders aus Protest gegen die Nicht-Einladung vor laufenden Kameras das Studio verließ.

Die TV-Debatte selbst war geprägt von einem Zweikampf zwischen Macron und Le Pen, der sich zeitweise auch deutlich erhitzte. Die beiden Favorit_innen spulten ansonsten sehr professionell ihr Programm ab. Am deutlichsten an diesem Abend stach Mélenchon hervor, der immer wieder heftig Le Pen attackierte und mit ein paar pointierten Aussagen zeitweise auch das Studiopublikum auf seine Seite ziehen konnte. Der für seinen populistischen Stil bekannte ehemalige Studierendenanführer während der 68er Bewegung zeigte sich ansonsten jedoch durchaus staatsmännisch. Fillon versuchte durch Zurückhaltung und Kompetenz bei seinen angestammten Wähler_innenschichten zu punkten, was durchaus gelang, da der mögliche Korruptionsskandal rund um Scheinbeschäftigungen seiner Familienmitglieder nicht besonders ausführlich besprochen wurde. Hamon, der sozialistische Kandidat zeigte sich zwar ebenfalls kompetent, wirkte jedoch nicht besonders eingebunden und blieb besonders gegenüber Mélenchon blass. Dies zeigte sich in der darauffolgenden Woche deutlich in den Umfragen, wo Mélenchon zum Überholmanöver ansetzte.

Teilweise in Reaktion auf die Kritik von Dupont-Aignan wurden zur zweiten TV-Debatte (auf dem privaten Nachrichtensender BFMTV) alle 11 Präsidentschaftskandidat_innen eingeladen. Die diskutierten Themen und die Gesprächsdynamik ähnelten sich dabei trotz Zuwachs an den Pulten jedoch stark. Mélenchon ritt eine Reihe von gut aufgelegten Attacken, im Speziellen gegen Le Pen und Hamon vermochte es ein weiteres Mal nicht, die Aufmerksamkeit der Linken auf sich zu richten.

Macron, Le Pen als auch Fillon folgten ihren akribisch ausgearbeiteten Skripts, erlaubten sich dabei zwar kaum Fehler konnten jedoch auch kein besonders großes Feuer bei den Wähler_innen entfachen. Dupont-Aignan vermochte die Möglichkeit im Rampenlicht nicht zu nutzen, Fillon präsentierte sich für die durchaus deckungsgleichen Wähler_innenschichten als Kandidat deutlich geeigneter. Von den Außenseiter_innen konnte außer Philippe Poutou niemand besonderes Interesse erwecken. Zwar verzettelte er sich in einem Duell mit Fillon in der Frage der direkten Demokratie, lieferte aber auch den Sager des Abends.

Wenn wir Arbeiter eine Vorladung von der Polizei erhalten, gehen wir hin, denn wir haben keine Arbeiter-Immunität.
(Philippe Poutou)

Der bei Peugeot beschäftigte Arbeiter gab dem Frust vieler Französinnen und Franzosen gegenüber der politischen Elite Ausdruck, in dem er die politische Immunität attackierte. Hinter dieser schützt sich aktuell z. B. Marine Le Pen vor einer Aussage im Skandal um Ausgaben für EU-Mitarbeiter_innen, die in Wirklichkeit für den Front National auf nationaler Ebene gearbeitet haben sollen. Er strich hervor, dass es eine solche Immunität nicht gäbe, wenn man als einfache Bürgerin oder einfacher Bürger für Proteste oder Streiks auf die Straße ginge.

Parallelen zu Österreich – eine enttäuschte Wähler_innenschaft

Die heurige Präsidentschaftswahl steht ganz im Zeichen einer enttäuschten Wähler_innenschaft. Dabei werden Erinnerungen an die erste Runde der österreichischen Präsidentschaftswahlen im letzten Frühjahr wach.

Quelle: Wikipedia 

Die Parti socialiste wird für ihre schwache Regierungszeit unter François Hollande abgestraft werden, wo innerhalb der Linken umstrittene Maßnahmen wie etwa eine Arbeitsmarktreform auf den Weg gebracht wurden, die groß angekündigte Senkung der Arbeitslosigkeit sich jedoch nie wirklich eingestellt hat. Und die Konservativen unter Fillon kämpfen unter dessen Skandal, der jedoch symptomatisch für die etablierten Eliten steht. Sowohl Mélenchon als auch Le Pen stehen mit ihren populistischen Programmen und kräftiger EU-Austrittsrhetorik für Protestwähler_innen bereit. Lediglich Macron, der selbst Teil der politischen und wirtschaftlichen Elite ist, kann sich bisher dennoch erfolgreich behaupten. Mit einem Programm, das gesellschaftlich und ökonomisch liberal ist, und ihn als großen Vereiner Frankreichs propagiert.

Ob aus dem momentanen Zweikampf für die erste Runde der Wahlen noch ein Vierkampf wird, kann möglicherweise die letzte noch anstehende TV-Debatte zeigen. Es wird jedenfalls spannend.

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