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„Klatschen ist schön und gut. Aber davon kann man nicht leben!“

posted by Michaela Ferschmann 16. Juni 2020 0 comments

Wir erinnern uns gut: Als zu Beginn des Corona-Lockdowns viele Leute auf den Balkon gingen und eine Minute lang klatschten. Sie applaudierten für die sogenannten „Coronaheld_innen“. Für diejenigen, die sich, weil “systemrelevant”, mutig in der ansteckungsreichsten Zeit für sie in die Arbeit gestürzt haben. Medizinisches Personal, Müllabfuhr-Bedienstete und vor allem die seit jeher schlecht bezahlten Einzelhandelsangestellten waren für ein paar Wochen die Held_innen der Nation.

Gerade Letztere sind zum Großteil Frauen, die von ihrem geringen Gehalt oft nur schwer leben können. Im Einzelhandel arbeiten außer dem/der Abteilungsleiter_in und seiner/ihrer Stellvertretung mehrheitlich teilzeitbedienstete Frauen. Viele von ihnen sind Mütter, darunter sehr viele Alleinerziehende. Das war immer schon bekannt, aber die letzten Wochen haben uns dies wieder sehr deutlich vor Augen geführt.

Arabela Alic. Foto: Arne Müseler

„Gerade zu Beginn der Coronakrise hatten diese Frauen mit großer Angst zu kämpfen, sich anzustecken und den Virus nach Hause zu bringen“, berichtet Arabela Alic, Betriebsrätin einer großen Supermarktkette. „Dazu kam der wesentlich höhere Arbeitseinsatz, weil die Menschen aus Angst die Supermärkte überrannten, um sich einzudecken mit Lebensmitteln“, schildert sie die dramatische Arbeitssituation dieser Wochen. Viele hatten Kinder zu Hause, die nicht in die Schule gehen konnten. Gleichzeitig müssen die Verkäufer_innen von ganz früh bis spät abends flexibel einsetzbar bleiben. „Klar konnte man sagen, dass es wegen der Kinder nicht ging, aber das war den anderen gegenüber unkollegial. Und so haben sich wirklich viele krank gearbeitet,“ berichtet die Betriebsrätin. „Wir hatten so viele Ausfälle und benötigten zusätzliches Personal, dass sogar Kolleg_innen aus der Verwaltung im Supermarkt mithalfen.“

Ein Danke allein bezahlt keine Miete, keinen Kredit und auch nicht die Reparatur am Auto.”

David Egger, der neue Salzburger SPÖ-Vorsitzende kritisiert, dass ausgerechnet jene Berufsgruppen, die das Land während der Corona-Krise am Laufen gehalten haben, besonders wenig verdienen und pocht auf einen Mindestlohn von 1.700 Euro netto.


Die Supermarktketten dankten dies auch – wohl auch, weil sie in diesen Wochen enorme Umsätze machten – mit Prämien. Der Salzburger Handelskonzern Spar hat bereits gut drei Millionen Euro an die durch den ersten Riesenkundenansturm besonders getroffenen Mitarbeitergruppen ausgeschüttet. Bei Rewe (Billa, Merkur, Penny, Bipa) bekamen alle 40.000 Beschäftigten in den Filialen, Lagern und in der Logistik einen “Danke-Bonus” auf ihre Mitarbeiterkarte aufgebucht. Beim Diskonter Hofer bekamen die Beschäftigten im Verkauf und in der Logistik eine Bonuszahlung zusätzlich zum Gehalt. Auch Lidl dankte seinen Supermarkt-Angestellten mit insgesamt einer Million Euro.

Pro Kassierin oder Lagerarbeiter ist das eine einmalige kleine Prämie. Danach erhalten diese wieder denselben niedrigen Lohn, mit dem sie ihr Leben nur schwer bestreiten können. „Klatschen ist schön und gut. Aber davon kann man nicht leben“, bedauert Alic. Das unterstreicht auch die derzeit laufende online-Kampagne der SPÖ Frauen #stattApplaus.

Mitte März bis Mitte Mai: Mundnasenschutz-Pflicht für alle Kund_innen. Foto: Pexels

Das kollektivvertragliche Mindestgehalt im österreichischen Handel für Vollzeitangestellte liegt derzeit bei 1.675 Euro brutto pro Monat, im neuen KV macht es 1.714 Euro brutto aus. Allerdings arbeitet ein Großteil wie gesagt in Teilzeit.

Seit Montag, 15. Juni brauchen die Kund_innen keinen Nasenmundschutz mehr bei uns in Österreich zu tragen. Die Supermarkt-Angestellten sind damit wieder vermehrt der Gefahr einer Corona-Ansteckung ausgesetzt.  Noch dazu, wo so gut wie alle Grenzen zu den Nachbarländern wieder geöffnet sind. „Wir arbeiten weiterhin an der Kassa hinter einer Plexiglasscheibe, und die Regalbetreuer_innen setzen im Markt ihre Gesichtsvisiere auf“, erklärt Arabela Alic, die inständig hofft, dass die Kund_innen ohne Masken nun nicht eher Kolleg_innen anstecken.


Titelfoto: Michaela Ferschmann

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