Politik

Ist ein bedingungsloses Grundeinkommen das Modell für den Sozialstaat der Zukunft?

posted by Ingrid Riezler-Kainzner 27. April 2017 0 comments
Eine Betrachtung von Ingrid Riezler-Kainzner im Hinblick auf den Mehrwert für Frauen

Ich hatte am 8. März die Gelegenheit, zum Thema „ Das bedingunglose Grundeinkommen – Schlüssel zu Verteilungsgerechtigkeit zwischen Frauen und Männern“ zu diskutieren.

Ich habe das sehr gerne gemacht. Denn ich bin überzeugt, dass wir nicht bloß unseren Sozialstaat finanziell absichern müssen, sondern es auch notwendig ist, ihn weiterzuentwickeln. Ganz besonders im Hinblick auf die Chancengleichheit und Armutsbekämpfung von Frauen.  Und wir müssen das endlich intensiv diskutieren, gerade als Sozialdemokrat_innen. Wir dürfen uns nicht auf die Sozialpartnerschaft bzw. auf die Gewerkschaft verlassen, sondern müssen mit ihnen ein Zukunftsmodell erarbeiten.

Eine Zerschlagung unseres Sozialstaates wäre irreparabel.

Wir haben in Österreich jetzt einen konservativen Sozialstaat, der immer noch auf das Modell Mann als Haupternährer und die Frau als Zuverdienerin setzt. Betreuung von Kindern, sowie die Pflege von Angehörigen wird in den Familien mehrheitlich von Frauen erledigt – und dafür gibt es viele Anreize. Frauen sind in der Regel durch ihre Männer abgesichert. Auch in der Familienförderung setzt Österreich auf Geldleistungen statt Sachleistungen: Anreize für lange Babypausen, mit dem Ergebnis, dass die Geburtenrate niedrig ist, die Frauen und mit ihnen die Kinder viel zu oft arm sind. Sehr viel Geld wird ohne Erfolg eingesetzt.

Es gibt verschiedene Modelle für ein Grundeinkommen –  einige, wie das von DM-Gründer Götz Werner ist einfach nur neoliberal –  Unternehmen und Vermögende sind die einzigen Gewinner. Andere Modelle sind reine Kombilohnmodelle.

Ich möchte mich aber der Diskussion stellen  und bei der Vorbereitung haben sich für mich viele Fragen gestellt:

  • In Österreich sind wir von faktischer Gleichstellung der Geschlechter noch meilenweit entfernt – betonieren wir dieses konservative Gesellschaftsgefüge mit einem bedingungslosen Grundeinkommen nicht noch mehr ein?
  • Wird das Grundeinkommen wie ein „Hausfrauengehalt“ gesehen und die Frauen werden noch mehr dazu gedrängt, sich auf die Familie zu konzentrieren?
  • Wenn Kinderbetreuung, Pflege daheim jetzt bezahlt ist, denken dann nicht viele, dass wir keinen weiteren Ausbau von Kinderbetreuung, Ganztagsschulen, Pflegeangeboten brauchen?  Werden die Angebote nicht sogar weniger werden?
  • Sind bildungsferne Familien und damit ihre Kinder nicht noch mehr chancenlos?
  • Fallen damit nicht gerade viele Arbeitsplätze für Frauen weg? Ist professionelle Arbeit nicht mehr notwendig, Mutter kann das schon?
  • Wie sieht es mit Migrantinnen aus? Bleiben sie dann noch mehr daheim und können nicht integriert werden?
  • Rechne ich alle Transferleistungen zusammen, bekommen Familien jetzt sogar mehr Geld als mit den vorgeschlagenen Modellen – also wer profitiert wirklich?

Das in Österreich diskutierte Modell der Attac Inhaltsgruppe Grundeinkommen sieht vor, dass trotzdem gute Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschaffen werden. Aber es tut mir leid, in unserem konservativen Land ist das für mich eine reine Wunschvorstellung. Attac legt auch einen detaillierten Finanzierungsplan vor. Dieser birgt für mich zugleich die wichtigste Schwachstelle: Es wird davon ausgegangen, dass sich die Wirtschaftsleistung nicht massiv verändert. Heiner Flassbeck, Staatssekretär unter Lafontaine in der Regierung Schröder I) sieht massive Probleme  nachzulesen in seinem Buch „Irrweg Grundeinkommen”). Er sieht es als extrem wahrscheinlich an, dass nicht wenigen das Grundeinkommen reichen wird. Mit Selbstversorgung, mit Nachbarschaftshilfe (Schwarzarbeit).  Das wird nicht nur viele Arbeitsplätze kosten, sondern auch die besteuerbare Basis verringern. Und bald wird es Diskussionen geben, das Grundeinkommen zu senken. Er sieht die Geldwertstabilität massiv in Gefahr. Und für ihn sind die Unternehmer_innen die Gewinner_innen. Eine Zerschlagung unseres Sozialstaates wäre irreparabel.

Jedenfalls sind die Auswirkungen des bedingungslosen Grundeinkommens nicht vollkommen klar, weswegen ich glaube, dass andere Maßnahmen im Fokus stehen müssen. Sollten wir uns also nicht besser darauf konzentrieren, folgende Dinge umzusetzen, um die Situation der Frauen bzw der Familien ohne große Risiken zu verbessern?

  • Möglichst bald einen Mindestlohn einführen
  • Gehaltstransparenzgesetz umsetzen, oder noch besser ein Gesetz wie in Island umsetzen, das gleiche Bezahlung vorschreibt
  • Generelle Arbeitszeitverkürzung umsetzen statt Teilzeit für Frauen und Männer ihren Teil der unbezahlten Arbeit übernehmen
  • Allen Menschen die Chance auf eine zweite Berufsausbildung geben
  • Beitragsfreie Kinderbetreuung und Ganztagsschulen mit gutem Essen, Kreativ- und Sportangebot flächendeckend einführen (das ist für mich die beste Grundsicherung für Kinder)
  • Mehr Arbeitsplätze in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Pflege, mehr Unterstützung für Menschen mit Behinderung
  • Sozialversicherungspflicht bei allen BEschäftigungsverhältnissen
  • Einführung eines neuen Steuersystem mit Wertschöpfungsabgabe, Vermögens- und Erbschaftssteuer , das den Faktor Arbeit entlastet
  • Die Mindestsicherung armutssicher machen
  • Pensionen armutssicher machen

Wenn wir also massiv in Richtung sozialdemokratischen Sozialstaat gehen, der die Frauen ermächtigt, statt sie zu Almosenempfängerinnen zu machen, müssten wir uns keine Gedanken machen um die Zukunft der sozialen Absicherung. Was es braucht, ist politische Verantwortung, was die Herausfoderungen unserer Zeit betrifft. Ein Grundeinkommen kann uns nicht von dieser entbinden. Denken wir etwa an die Bereiche Betreuung und Pflege! Wenn wir das alles umsetzen, dann stellt sich die Frage nach einem bedingungslosen Grundeinkommen mit all seinen Risiken wahrscheinlich erst gar nicht mehr!

 

 


In einem anderen Beitrag auf Hallo Salzburg legte bereits der Landesvorsitzende der FSG Salzburg Gerald Forcher Argumente gegen das bedarfsorientierte Grundeinkommen dar. –> CONTRA

Ein Plädoyer für das bedarfsorientierte Grundeinkommen kommt vom Wirtschaftswissenschaftler Guy Standing. Er ist Mitbegründer Basic Income Earth Network (BIEN) –> PRO


 

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