Zuerst gehen Post, Bahn, Volksschulen und Gerichte. Ohne eigenes Auto ist die Fahrt nach Salzburg eine kleine Weltreise. Dann findet der Hausarzt keine Nachfolgerin mehr, der Notarzt benötigt 40 Minuten. Regionale Spitäler geraten unter Druck und müssen ihre Leistungen einschränken. Ein Kreislauf, der nur schwer zu stoppen ist.
Seit Jahren ist die Ausdünnung auf dem Land Realität. Doch wie ungerecht ist die Verteilung von Infrastruktur und Ressourcen eigentlich in unserem Bundesland? Sind gleiche Chancen für alle Salzburger_innen möglich? Im Rahmen der vom Renner-Institut Salzburg organisierten Veranstaltung „Ausgedünntes Land. Gleiche Chancen für alle?“ versuchte eine hochkarätige Diskussionsrunde, bestehend aus Franz Fischler (EU-Kommissar a. D.), Walter Steidl (SPÖ-Landesparteivorsitzender), Gabi Burgstaller (Landeshauptfrau a. D.) und Christian Dirninger (Wirtschaftshistoriker der Universität Salzburg) Antworten auf die aufgeworfenen Fragen zu geben.
Die Landflucht ist weiblich geworden
(Gabi Burgstaller, Landeshauptfrau a. D.)
Die Motive der Landflucht, bei der immer mehr Menschen den Wohnraum in ländlichen Gegenden verlassen, sind dabei keineswegs neu, wie Franz Fischler zu Beginn der Veranstaltung im vollen Saal im Gwandhaus Salzburg erklärte: “So schön das Landleben auch sein mag. Gerade junge Menschen mit hoher Qualifikation haben einen großen Anreiz, wegzuziehen. Es fehlt an entsprechenden Arbeitsplätzen, weshalb wir dringend in den Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich investieren müssen.”
Zustimmung für diesen Ansatz kam von Gabi Burgstaller, die vor allem die Bedeutung der Frauen für den ländlichen Raum hervorhob: “Früher haben die Männer ihre Heimat verlassen, um als Pendler in der Stadt zu arbeiten. Heute verlassen vor allem die Frauen den ländlichen Raum. Die Landflucht ist also weiblich geworden.“ Eine Tendenz, die auch Walter Steidl Sorgen bereitet: „Für den Zusammenhalt der ländlichen Gesellschaft ist diese Entwicklung natürlich ein Albtraum. Gerade junge Familien sind für das Sozialleben einer jeden Gemeinde überlebenswichtig. Denn ohne sie, geht die nächste Generation verloren.”
Thema Gesundheit als Dauerbrenner
Emotional diskutiert wurde auch das Thema der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. So sollen in Österreich bis zum Jahr 2026 rund 60 Prozent der Hausärzt_innen in Pension gehen. Betrachtet man die jüngsten Entwicklungen rund um das Krankenhaus Mittersill, kann man jedoch bereits jetzt erahnen, welche folgenschwere Auswirkungen die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte auf die regionale Gesundheitsversorgung haben wird.
Die Menschen im ländlichen Raum bezahlen den gleichen Steuereuro
(Walter Steidl, Salzburger SPÖ-Chef)
Einig waren sich alle Diskutannt_innen bei der Forderung nach einer grundsätzlichen Reform der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. So wurden sowohl die Einführung eines „Community-Nurse“-Modells nach skandinavischem Vorbild, als auch die Etablierung von Zubringerdiensten, die die Patienten direkt zu den jeweiligen Fachärzten bringen, diskutiert. Die Gewährleistung einer flächendeckende Gesundheitsversorgung im Land Salzburg ist für Walter Steidl von größter Bedeutung: „Die Menschen im ländlichen Raum bezahlen den gleichen Steuereuro, wie diejenigen, die in der Stadt Salzburg leben. Es kann nicht sein, dass die Leistungen, die sie im medizinischen Bereich dafür erhalten, einem Vergleich mit dem Zentralraum nicht standhalten. Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.“
Politisches Klein-Klein bringt keinen weiter
(Franz Fischler, ehemaliger EU-Kommissar für Landwirtschaft)
Professor Dirninger sah dabei vor allem die gegenwärtigen politischen Verantwortlichen in der Pflicht: „Der Blick in die Geschichte zeigt – nur wenn Zivilgesellschaft, die regionale Kreditwirtschaft und vor allem die Kommunalpolitik Hand in Hand arbeiten, ist es möglich den gegenwärtigen Trend der Landflucht Einhalt zu gebieten.“ Dementsprechend forderte der Wirtschaftshistoriker der Universität Salzburg, eine deutliche Besserstellung der Gemeinden im Finanzausgleich sowie eine Modernisierung des Vereinsrechts. Laut Dirninger wären diese Maßnahmen ein erster Schritt in die richtige Richtung, um die Chancen der ländlichen Gemeinden wieder zu verbessern.
Ähnlich sah dies auch Franz Fischler, der zum Abschluss der Veranstaltung eindringlich davor warnte, sich mit einfachen Scheinlösungen zufrieden zu geben. „Wir brauchen nun endlich spezifische Lösungen für die jeweiligen ländlichen Regionen. Politisches Klein-Klein auf Kosten der Familien bringt keinen weiter.“ – Eine Aussage, die bei allen Anwesenden für breite Zustimmung sorgte.
Fotos: Neumayr