Einst schuf der griechische Göttervater Zeus ein paradiesisches Eiland, auf dem die Amazonen friedlich ihr kämpferisches Dasein fristen konnten. Kämpferisch, weil sie ständig für den Kampf trainierten, friedlich, weil die Insel durch eine magische Barriere von der Außenwelt geschützt wurde und es so eigentlich nichts zu kämpfen gab. Unter ihnen war auch die junge Diana, die von ihrer Tante Antiope (Robin Wright) härter als alle anderen Amazonen trainiert wurde, um bereit zu sein, wenn sich das Schicksal der Amazonen erfüllen würde und der letzte Kampf gegen den Kriegsgott Ares gefochten werden sollte!
Als ein stoffbespanntes deutsches Flugzeug mit dem Spion Steve Trevor (Chris Pine), gefolgt von der Marine des Kaisers, durch die magische Barriere bricht, ist das beschauliche amazonische Leben vorbei. Wie immer, wenn Männer involviert sind, gibt es Mord und Todschlag. Die Kaisermarine wird vernichtend geschlagen und der überlebende Spion Trevor erzählt den Amazonen vom Grauen des ersten Weltkriegs. Während die Amazonen auf ihrer immergrünen Insel Bogen schießen, fechten und reiten, vernichtet außerhalb der Barriere der große Krieg im Jahr 1917 ganz Europa. Diana (Gal Gadot) zieht ihre Schlüsse: Ares muss zurück sein, um sein tödliches Werk zu vollenden. Nur der Kriegsgott selbst kann hinter solcher Grausamkeit stecken. Gegen den Willen ihrer Mutter Hippolyta (Connie Nielsen) besteigt sie – nachdem sie das Schwert Godkiller und das Lasso der Wahrheit geklaut hat – mit Trevor ein Segelboot, um Ares entgegenzutreten.
Doch die Welt der Männer des Jahres 1917 bietet Herausforderungen, die weit über den Krieg hinausgehen. Frauen haben in diesem London nichts zu sagen, Korsett und wallender Rock schränken Dianas Bewegungsfreiheit ein und Trevors Sekretärin findet, dass Schwert und Schild überhaupt nicht zum Outfit passen. Diana stolpert von einem Fettnäpfchen ins andere, wirkt dabei aber nie lächerlich, sondern verzückend und erhaben. An der Front wandelt sich ihr naives Auftreten schnell zu ausgesprochenem Heldentum. Mutig stürmt die Amazone in die Schlacht, wirft mit Panzern um sich, blockt Kugeln mit ihrem Schild und ihren Armschonern und wenn sie in schönster Zack-Snyder-Manier stilsicher mit Beinscheren, Schlägen und Tritten durch deutsche Soldaten fegt oder in perfekt abgestimmter Zeitlupe in einen Kirchturm, in dem sich ein Heckenschütze versteckt, springt und dabei der halbe Kirchturm in einer Staubwolke und einem Trümmerregen untergeht, dann sieht man, dass man bei Warner Bros nach wie vor am besten weiß, wie man Comics brachial und bombastisch mit echten Menschen auf die Leinwand zaubert.
Wonder Woman ist der vierte Film des sogenannten DC Expanded Universe’, zu dem bisher Man of Steel, Batman v. Superman und Suicide Squad zählen. Wonder Woman sieht fantastisch aus, hat nach dem (meines Erachtens) eher belanglosen Suicide Squad glücklicherweise aber neben der umwerfenden Optik auch auf inhaltlicher Ebene einiges zu bieten, wobei es auch kleinere Kritikpunkte gibt. Bei allem Klamauk und unrealistischem Superheld_innen-Gehüpfe gelingt es Wonder Woman immer wieder ein dramatisches und trauriges Bild des Ersten Weltkriegs zu zeichnen. Die Hauptfigur in ihrer Göttlichkeit fungiert als eine Art außenstehende Beobachterin, die den Krieg für uns (100 Jahre später) dokumentiert. Ihr begegnen verwundete und traumatisierte Soldaten, sie wandert durchs Giftgas und lässt uns so hautnah die erstickten Kinder sehen. Dem gegenüber stehen die Deutschen, die man sich wohl in aller ihrer Monstrosität aus Bequemlichkeit aus dem zweiten Weltkrieg geborgt hat.
Klar muss die amerikanische Comic-Heldin Wonder Woman auf Seite der Alliierten kämpfen, aber dass die Kaisertruppen einfach die Boshaftigkeit der Nazis aufgedrückt bekommen, finde ich historisch fragwürdig. Erst gegen Ende (keine Spoiler) werden die bösen Deutschen etwas relativiert und Wut, Hass und Mordlust als Wesen der gesamten Menschheit interpretiert. Diana muss lernen, dass der Wunsch zu töten und Kriege zu führen möglicherweise gar nicht Ares’ Werk ist, sondern aus den Menschen selbst kommt.
Anstatt aber die Hoffnung aufzugeben, erkennt sie, dass diese Grausamkeiten nur ein kleiner Teil der menschlichen Natur sind und sie begibt sich auf die Suche nach jenen Eigenschaften, an die sie im Menschen glauben kann, die es wert sind, gelebt zu werden und die gestärkt und verteidigt werden müssen. Generell ist das – für eine Comicverfilmung – eine hübsche Botschaft, die in Wonder Woman gelegentlich hart am Kitsch entlang schrammt. Das wiederum passt aber durchaus zur Trivialität der gezeichneten Vorlage.
Zu loben ist außerdem die fantastische Gal Gadot, die als Diana verzaubert und verzückt und ihre Rolle äußerst überzeugend umsetzt. Ob taffe Kämpferin, die über die Schlachtfelder stürmt oder in London, wo ihre Naivität glücklicherweise niemals lächerlich wirkt, man hätte sie wohl kaum besser besetzen können. Es ist äußerst erfreulich, dass sich Warner Bros entschieden hat, ihrer Rolle nach Batman v. Superman einen eigenen Film zu widmen, den sie mit Leichtigkeit trägt. Man luge kurz zur Konkurrenz von Disney, wo es in sagenhaften fünfzehn Kinofilmen bisher keine weibliche Hauptrolle gibt. Scarlett Johansson als Black Widow und Zoe Saldana dürfen nur im Bunde mit ihren männlichen Kollegen über die Leinwand streifen.
Auch die Nebenfiguren in Wonder Woman haben für einen Film dieses Genres erstaunlich viel Tiefgang bekommen. Chris Pine überzeugt als Spion, der aus dem Sumpf der Gewalt nicht entkommen kann, obwohl sie ihm zuwider scheint. Trotz einer gehörigen Portion Pathos funktioniert seine Figur als gepeinigte Seele, die aber im entscheidenden Moment immer bereit ist, aufopfernd das moralisch Richtige zu tun. Mit Charlie (Ewen Bremner) erleben wir einen einst großartigen Scharfschützen, der aufgrund seiner Kriegstraumata ein gebrochener Saufbold ist und der Chief (Eugene Brave Rock) entkräftet die scheinbare moralische Überlegenheit der Amerikaner im Film, indem er erzählt, er sei überhaupt nur an der Front des Ersten Weltkriegs, weil die Amerikaner ihn aus seiner Heimat verdrängt hätten.
Regisseurin Patty Jenkins gelingt es mühelos und ungezwungen, die düsteren Weltkriegselemente und den obligaten Bombast einer DC-Universe-Verfilmung zu kombinieren. Wenn sich Wonder Woman im Finale prügelt, fliegen die Kontrahenten meterweit durch die Luft, sie stürzen in Gebäude, die in Feuerbällen aufgehen und die Kino-Soundanlage zum Donnern bringen. Sie werfen mit Fahrzeugen, schießen Blitze und reißen Furchen in den Boden, wenn sie nach einem Treffer stürzen. Hier werden Götter und Göttinnen entfesselt und dementsprechend imposant sind die Kampfszenen, denen man, wie bereits erwähnt, die Nähe zu Zack Snyders prägender Ästhetik anmerkt. Ich persönlich finde diese fantastisch, ich weiß aber auch, dass es eine große Fraktion gibt, welche die alberne Slapstick-Herangehensweise aus dem Hause Marvel bevorzugt. Letzten Endes ist es wohl Geschmackssache, ob man düstere Comicverfilmungen oder eher lustigere bevorzugt.
Wonder Woman gelingt es, gut dosierten Humor, eine todernste Thematik und fantastische Heldinnen-Action zu vereinen und das macht den Film zu meinem bisherigen Blockbuster-Highlight des Jahres.
Wonder Woman
Regie: Patty Jenkins
Drehbuch: Zack Snyder, Allan Heinberg
Soundtrack: Rupert Gregson-Williams
Cast: Gal Gadot, Chris Pine, Connie Nielsen, Robin Wright, David Thewlis
Laufzeit: 141 Minuten
FSK: 16 Jahre
Kinostart: 14.06.17 (AT)
Das Titelbild stammt von mir.