“Digitalisierung, Arbeit 4.0, digitaler Wandel” – kaum ein Tag vergeht ohne diese Begriffe in der öffentlichen Debatte. Diese Woche fand daher eine gemeinsame Veranstaltung der FSG – und SPÖ Frauen Salzburg zum Thema statt. Dabei wurde mit dem Experten Dr. Johannes Warter über einen (scheinbar) völlig neuen Geschäftszweig diskutiert und gemeinsam Lösungsvorschläge in den Raum gestellt.
Digitalisierung bedeutet Chancen*
Digitalisierung ist nicht nur eine Chance, sie stellt uns in Zukunft vor eine große Herausforderung. Fragen, die in diesem Kontext immer wieder auftauchen, sind:
“Wie können wir Beschäftigung, gute und faire Arbeit sicherstellen? Wie können wir sicherstellen, dass die arbeitenden Menschen profitieren und nicht nur die Wirtschaft? Und wie können wir vorantreiben, dass durch den technischen Fortschritt neue Arbeitsplätze entstehen?”
In Zeiten der Industrialisierung waren vor allem die technischen Zweige wie die Autoindustrie betroffen, speziell in Form von Automatisierung. Heute scheint sich diese Automatisierung zwar zu wiederholen, sie betrifft aber stärker den Dienstleistungsbereich – in der Pflege, im Handel, in den Büros. Denn wir alle nutzen auch gerne die Möglichkeiten: Onlinehandel, Onlinebanking, Onlineverwaltung.
Digital, prekär, weiblich?
Betrachtet man die eben genannten Branchen, wird deutlich, wen die Digitalisierung im Arbeitsleben am stärksten beeinflusst: Frauen. Wie sich die Berufsbilder von Frauen in Zukunft verändern, ist nicht ganz klar. Fest steht jedoch, was bereits deutlich spürbar ist: Die Kommunikation ist schneller, dichter, überall und zu jeder Zeit möglich. Wir sind über die ganze Welt vernetzt, wodurch Unmengen an Daten entstehen.
In Pflege und Medizin ist diese Entwicklung deutlich spürbar: Im Vergleich zu früher sind mehr und anders strukturierte Medizindaten verfügbar, so ist auch die medizinische Überwachung ein Thema, das so vorher nicht relevant war: “Intelligente”, digitale Pflaster oder die Dokumentation der eigenen Gesundheitsdaten via App sind nur einige Beispiele. Des Weiteren hat sich die Arbeitsorganisation grundlegend verändert und stellt die Branche vor ethische und datenschutzrechtliche Herausforderungen. Die Digitalisierung führt in diesem Bereich auch verstärkt zur “Kontrolle” der Arbeit, wodurch hoher Arbeitsdruck und Belastung entstehen – besonders bei der Arbeit mit Menschen.
Aber auch der Handel ist stark vom Wandel betroffen: Dabei ist nicht nur der immer stärker werdende Online-Handel ein zentraler Treiber, sondern auch die Automatisierung der Kassensysteme, Zentralisierte Warenlager oder die Lagerautomatisierung. Sowohl in der Pflege, als auch im Handel sind Frauen besonders stark betroffen. Zusätzlich sind Mädchen und junge Frauen seltener in technischen Schulzweigen und Berufszweigen verankert.
Crowdworking – die neue Form der Heimarbeit?
Zusätzlich zu den genannten Branchen hat sich eine scheinbar ganz neue Form der Arbeit gebildet: das sogenannte Crowdworking. Dr. Johannes Warter hat darüber seine Dissertation verfasst und vergangenen Mittwochabend in der Arbeiterkammer einen Input dazu gegeben.
Dabei werden Arbeitsleistungen in den virtuellen Raum ausgelagert, die traditionellerweise von im Betrieb angestellten MitarbeiterInnen erledigt werden. Dadurch ist eine neuartige Form von Arbeitsorganisation entstanden, bei der es gleichgültig ist, wo sich die arbeitende Person befindet, solange sie nur online ist. Abgewickelt werden diese Prozesse über verschiedenen Internetplattformen, wie z. B. clickworker, amazon mechanical turk oder 99designs.
Die Plattform handelt dabei lediglich als Vermittlerin zwischen Unternehmen bzw. Auftraggeber_in und Auftragnehmer_in. So bietet die Online-Plattform book a tiger die Möglichkeit, eine Reinigungskraft online zu buchen. Diese Plattformen sind in der Regel alle gleich aufgebaut: Jene Personen, die “gebucht” werden möchten, müssen sich nur online registrieren, ein Konto anlegen und werden dann gebucht bzw. müssen sich durch verschiedene, verfügbare Arbeitsaufträge klicken, die sie dann auswählen können. Dies kann zum Beispiel die Aufgabe beinhalten, ein Bild von einer Zutatenliste einer Tomatensoße zu betrachten und eben jene Zutaten in ein Textfeld abzutippen. Dafür erhalten die Crowdworker_innen dann einen geringen Fixbetrag von 0,06- 0,20€ pro Bild. Dabei erhält die Plattform, die diesen Austausch von (Arbeits-)leistung zustande bringt, 20-30% Provision.
Die Crowdworker_innen bauen sich neben einem Guthaben auch eine digitale Reputation auf, die durch ein Bewertungssystem zustande kommt: Sie werden nach Verrichtung ihrer Arbeitstätigkeit vom Auftraggebenden bewertet. Durch diese Bewertung erfolgt eine Bindung an die Online-Plattform: die Reputation ist nicht übertragbar. Hat man sich erst einmal eine gute Bewertung aufgebaut, wird diese logischerweise nur ungern wieder aufgegeben. Besonders stark betroffen seien in Zukunft die Berufsfelder im Handel und Übersetzungsarbeiten.
Speziell für jene Personengruppen, die im regulären Arbeitsleben außen vor bleiben, ist diese Arbeitsform attraktiv: Menschen mit Beeinträchtigung oder ehemalige Häftlinge. Aber auch für Frauen scheint Crowdworking vielversprechend zu sein – damit lässt sich unkompliziert von Zuhause aus Geld verdienen, während Kinderbetreuung und Haushalt erledigt werden müssen. Die Parallelen zur früheren Form der Heimarbeit sind deutlich: die dezentrale Arbeitsweise, niedrige Löhne und enorme Flexibilität sind nur einige der Schnittpunkte.
Die Probleme und rechtlichen Fragen unterscheiden sich nicht allzu sehr von jenen von vor ein paar Jahrzehnten:
- Welche rechtliche Grundlage eignet sich besser zur Einstufung der Crowdwoker_innen? Das Heimarbeitsgesetz oder das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz?
- Sind Crowdworker_innen wirklich als Selbstständige einzustufen? Oder doch als Arbeitnehmer_innen?
- Wer hat hier die Beweislast der Art des Arbeitsverhältnisses?
- Unter welchen Bedingungen kommt ein Arbeits- bzw. Dienstverhältnis zustande?
- Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?
Österreichische Standards in Europa sichern
Nach dieser Gesprächsrunde ist also deutlich: Es ist noch viel zu tun. Christian Kern betont in seinem Wahlprogramm den hohen Stellenwert der Digitalisierung und hat dafür mehrere konkrete Vorschläge:
- Digitalisierungskompetenzen ab dem Kindergartenalter
- Schaffung und Förderung von fünf regionalen Start-up-Clustern
- Mehr Mittel für Forschung und Innovation
- Exzellenzinitiative für Spitzenuniversitäten
- Digitalisierung der Netze in allen Bereichen (z.B. Energie und Verkehr)
- Systemreform zur effizienteren Forschungsförderung
- Digitale Ausstattung unserer Schulen und unserer SchülerInnen
Zusätzlich ist zur Sicherung des österreichischen Standards im Arbeitsrecht eine gesamteuropäische Lösung notwendig. Die Digitalisierung muss dabei als das betrachtet werden, was sie ist: ein unvermeidlicher Fortschritt, der bewältigt werden muss. Dieser Fortschritt darf nicht nur negativ betrachtet werden und ist nicht unbedingt eine Gefahr für Arbeitnehmerinnen. Er wird nur dann zur Gefahr, wenn Politik für die wenigen Großunternehmen gemacht wird und nicht für die vielen Personen, die uns das tägliche Leben erleichtern – egal, ob in der Pflege, im Handel oder in Büros.
*: Die Grundlage dieses Abschnitts wurde freundlicherweise von Mag.a Dagmar Andree, MBA zur Verfügung gestellt. Sie ist Referentin für die Grundlagenarbeit zu Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitnehmer/-innen in Österreich in der Arbeiterkammer OÖ.