Politik

Kommentar: Flüchtlingssituation als Chance sehen

posted by Arne 27. Dezember 2015 0 comments

Die Flüchtlingsbewegung nach Europa – ausgelöst durch Kriegshandlungen und Terror in Syrien, Afghanistan und im Irak – wird seit Monaten medial ausgeschlachtet. Sei es in den Zeitungen, im Fernsehen oder in den sozialen Medien, häufig ohne fundierte Fakten, dafür vollgestopft mit Gerüchten und Halbwahrheiten. Damit können weder Flüchtlingsströme gestoppt, noch nachhaltige Lösungen geschaffen werden. Es werden nur Ängste und Sorgen geschürt und verstärkt. Die Salzburger Sozialdemokratie sagt dazu Nein. Wir setzen auf  verantwortungsbewusste Lösungen und Antworten, denn nur mit wohlüberlegten und konkreten Maßnahmen können wir einen Beitrag für ein neidloses Zusammenleben in Wohlstand und Frieden  leisten.

Salzburg hat Platz für Flüchtlinge und heißt sie willkommen. Gleichzeitig müssen wir aber auch Bedingungen an jene stellen, die bei uns bleiben wollen. Ein friedliches und neidloses Zusammenleben bedingt die 100-prozentige Anerkennung unseres Rechtsstaates und unserer Grundwerte, beispielsweise die Gleichberechtigung von Frau und Mann. Das ist nicht verhandelbar. Wer sich dazu nicht bekennen will, dem müssen wir klar und deutlich sagen: Österreich, Salzburg kann nicht deine neue Heimat werden.

Auch die Vorbehalte der einheimischen Bevölkerung nehmen wir ernst. Denn die Angst in Teilen der Bevölkerung aufgrund der Flüchtlingssituation einen wirtschaftlichen oder sozialen Abstieg zu erleiden ist groß. Diesen Sorgen müssen wir uns stellen, Erklärungen finden und Angebote machen.

Wenn Sie mich jetzt zurückschicken, liefern Sie mich den Leuten aus, denen ich gerade entkommen bin!”

Das sagte Bruno Kreisky im Jahr 1938 zu den dänischen Behörden, er was damals selbst auf der Flucht. Heute fliehen die Menschen zu uns, denn in ihrer Heimat gibt es keine Hoffnung mehr. Österreich hat sich seit 1945 einen weltweit guten Ruf erarbeitet und Bruno Kreisky war daran maßgeblich beteiligt. Um Österreichs guten Ruf weiterhin gerecht zu werden, bedarf es der Umsetzung folgender Überlegungen.

Ein finanziell-solidarisches Zusammenspiel der EU-Mitgliedsstaaten mit jenen Ländern, die bisher die Hauptlast geschultert haben. Also Türkei, Libanon und Jordanien.

Wir müssen weiterhin unsere Grenzen kontrollieren, weil wir, auch als weltoffener Staat, die Herrschaft über unser Staatsgebiet und die Zusammensetzung unserer Bevölkerung bewahren müssen. Sonst sind wir kein Staat mehr.

Anerkannte Flüchtlinge müssen gut überlegt und von uns unterstützt, rasch Kolleginnen und Kollegen im Betrieb, Nachbarn in unseren Gemeinden und Freunde in unseren Vereinen und in unseren Hilfsorganisationen werden können.

Ein sinnvolles Maßnahmenpaket muss sowohl das Asylsystem selber, als auch die integrativen Schritte danach umfassen. Wir Salzburger SozialdemokratInnen setzen uns deshalb sowohl für eine Reform des gesamten Asylverfahrens, als auch für ineinander- und übergreifende Integrationsmaßnahmen ein.

Das Asylverfahren reformieren

Integration ist der Schlüssel. Für eine erfolgreiche Integration spielt der Faktor Zeit eine wesentliche Rolle. Je schneller wir agieren desto nachhaltiger werden die Ergebnisse sein. Jeder vergeudete Tag bedeutet einen Mehraufwand auf der Kostenseite und läuft einer erfolgreichen Integration der Zugereisten entgegen. Daher braucht es:

Es braucht eine Trennung zwischen persönlich Verfolgten und Kriegsflüchtlingen –diese Menschen unterliegen der Genfer Flüchtlingskonvention – und Wirtschaftsflüchtlingen. Asyl gewähren können wir nur ersteren. Wir unterstützen das Vorhaben der Bundesregierung, Asyl vorerst auf Zeit zu gewähren. Wer aber gut integriert ist soll auch bleiben dürfen, wenn sich die Situation in den Heimatländern beruhigt hat. Da nach drei Jahren ohnehin jeder Einzelfall noch einmal geprüft werden muss, gibt es keinen zusätzlichen Mehraufwand

Bereits in der Erstaufnahmestelle sind künftig umfassende Clearings der Leute durchzuführen. Dabei werden alle relevanten Daten zur Person erfasst (Ausbildung, Zeugnisse, besondere Fertigkeiten, kommt Familie nach, etc.), die automatisch an die nachfolgenden betreuenden Organisationen und Behörden weitergegeben werden. Das ermöglicht eine viel bessere Planbarkeit.

Wer weder Asyl noch subsidiären Schutz bekommt, muss Österreich wieder verlassen. Das Außenministerium muss diesbezüglich umgehend entsprechende Rücknahmeabkommen  abschließen.

Die Asylverfahren entwirren und vereinfachen und durch deutlich mehr Fachpersonal beschleunigen.

Integration beginnt in der Grundversorgung

Die Menschen, die zu uns kommen, müssen ab dem ersten Tag die Möglichkeit haben sich in den für sie fremden und ungewohnten Umfeld in Österreich zu Recht zu finden. Dazu müssen sowohl sie, als auch wir einige wichtige Voraussetzungen erfüllen. Den Flüchtlingen müssen Erklärungen und Informationen über ihre neue Heimat zur Verfügung gestellt werden. Die Stadt Salzburg geht hier mit dem „Welcome Guide“ beispielgebend voran.

Wichtig sind dafür regelmäßige, verpflichtende und vor allem intensive Deutschkurse mit Informationen über unser Land, unsere Gesellschaft, unsere Sitten und Gebräuche und unser Rechtssystem in einem Ausmaß von mindestens 15 -20 Stunden pro Woche in den Quartieren. Für Einzeluntergebrachte müssen diese Kurse gut erreichbar von der Landesregierung angeboten werden. Wer gut und rasch Deutsch lernt, wird später bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und schneller auf eigenen Füßen stehen.

Kinder von Flüchtlingsfamilien müssen rasch Kindergärten besuchen. In der Stadt Salzburg ist das bereits so.

Die Ausweitung der gemeinnützigen Beschäftigung macht Sinn für alle Einheimischen, aber auch für die AsylwerberInnen. Und zwar sowohl in Hinblick auf Einsatzmöglichkeiten im Gesundheitsbereich als auch anderen Bereichen, in denen Arbeitsplätze ungenutzt zur Verfügung stehen und Arbeitskräfte dringend benötigt werden (z.B. Tourismus).

Unbegleitete Minderjährige benötigen besonderen Schutz

Groß ist der Handlungsbedarf bei den vielen jungen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Sie  müssen nicht nur besonders geschützt und versorgt werden, sondern sollen auch ab dem ersten Tag in der Betreuungseinrichtung Deutschkurse und Ausbildungsmaßnahmen erhalten und auch in Gastfamilien, die gut begleitet werden, untergebracht werden. Ergänzend brauchen wir zudem Krisenwohngemeinschaften für unbegleitete Kinder unter 14, die intensive Betreuung brauchen oder strafrechtlich auffallen, aber nicht strafmündig sind. Daher fordern wir mehr Personal für die Kinder- und Jugendhilfe, die per Gesetz die Obsorge für alle Kinder und Jugendlichen hat

Integration von anerkannten Flüchtlingen

Wir stehen vor der Aufgabe, Menschen in unsere Gesellschaft aufzunehmen, die zum Teil gänzlich andere Sitten und Gebräuche haben und unser Land nicht kennen. Das birgt Gefahren, aber auch sehr große Chancen für uns.

Wir fordern deshalb,

  • Die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle eines One-Stop-Shops für Integrationsberatungen und- begleitungen mit anschließenden Zielvereinbarungen auf Landesebene, angesiedelt in den Bezirksverwaltungsbehörden. Dort koordiniert und begleitet ein Betreuer individuell jeden Asylberechtigten. Nach erfolgreicher Anerkennung des Asylstatus sind die Menschen meist auf sich alleine gestellt und müssen sich nach Wochen, Monaten oder gar Jahren des Nichtstuns plötzlich in den komplexen Abläufen unserer Gesellschaft zu Recht finden. Hier braucht es jemanden, der sich dieser Personen annimmt, sie leitet, ihnen aber auch ganz klare Vorgaben mit Termin- und Zielvereinbarungen vorgibt.
  • Aufbauend auf die Ergebnisse des Clearings in der Erstaufnahmestelle soll in der zentralen Anlaufstelle gemeinsam mit dem AMS eine Kompetenzen-Bilanz erstellt werden, also eine Abklärung der schulischen und beruflichen, aber auch der sonstigen
  • Verpflichtende Integrationsmaßnahmen auch für nachfolgende Angehörige
  • Gemäß dem Grundsatz „Fordern und Fördern“ bei Verweigerung Konsequenzen ziehen, z.B. beim Bezug der Mindestsicherung.
  • die spezielle Situation von flüchtenden Frauen und Mädchen muss während der Verfahren, bei der Unterbringung und den Integrationsmaßnahmen berücksichtigt werden.
  • Wer gegen Gesetze, insbesondere strafrechtliche Bestimmungen verstößt, muss wie alle anderen hier im Land lebenden Menschen die Konsequenzen spüren. Bei gravierenden Verstößen, die laut Asylgesetz als Asylausschlussgrund gelten, muss abgeschoben werden.
  • Neuen Wohnraum schaffen: So wie Salzburger Bevölkerung, brauchen auch anerkannte Flüchtlinge guten und günstigen Wohnraum. Für eine bessere Bedarfseinschätzung beim Wohnbedarf ist bereits beim Clearing in der Erstaufnahme der Familiennachzug zu erfassen.
  • Eine Ausbildungsoffensive für Menschen, die Deutsch als Fremdsprache unterrichten wollen oder die grundsätzlich im Bereich Integration arbeiten wollen, starten.

Die aktuelle Flüchtlingssituation in Salzburg, Österreich und Europa birgt Gefahren, aber auch große Chancen und Möglichkeiten für uns alle. Was wir jetzt auf keinen Fall machen dürfen, ist den einen gegen den anderen, also die heimische Bevölkerung gegen die Flüchtlinge, auszuspielen. In der aktuellen Situation sind wir alle Lernende und werden auch Fehler machen. Ich bin aber überzeugt, dass wir gestärkt und vereint aus dieser Situation hervorgehen werden. Dafür ist Überzeugungsarbeit, Hartnäckigkeit, ein großes Herz und konsequentes Handeln, bei dem niemand vergessen werden darf, erforderlich. Wir, die Freunde der Gerechtigkeit, die sozialdemokratische Familie werden für ein friedvolles und neidloses Zusammenleben aller Menschen in unserem Land kämpfen.

Euer

Walter Steidl

SPÖ-Landesvorsitzender

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