In dieser Wahlperiode wurde eines schnell klar: Sie ist nicht mit anderen zu vergleichen. In Deutschland konnte die reschtspopulistische Alternative für Deutschland 12,6 Prozent erreichen – sie wird im deutschen Bundestag zukünftig mit 94 Sitzen vertreten sein. In Österreich scheint sich ein anderes Bild abzuzeichnen: Hierzulande ist es nicht nur die rechtspopulisitsche FPÖ, die das Spektrum rechtsaußen bedient, sondern mittlerweile auch die früher christlich-soziale ÖVP. Ihr Spitzenkandidat Sebastian Kurz hat kurzerhand Farbe und Namen der Partei geändert und damit auch das Programm. Die Neue Volkspartei- Liste Kurz präsentiert sich in türkis mit dem Themenschwerpunkt Flüchtlinge. Sie sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, nun ebenso zu den rechtspopulistischen Parteien zu gehören.
“Sie überholen die AfD rechts”
(Ulrike Lunacek im Puls-4-Duell zu Kurz)
Hallo Salzburg macht den Test und vergleicht die Programme von FPÖ, AfD und der neuen ÖVP:
Ausländer_innen als Drohszenario für das Sozialsystem
Alle drei Parteien beanspruchen die Themenführerschaft beim Thema Flüchtlinge für sich. Alle drei Parteien fordern in ihren Programmen den Stopp der Zuwanderung beziehungsweise die streng kontrollierte Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte. Argumentiert wird, dass nur so unsere Sozialsysteme gerettet werden könne. Die FPÖ spricht von einer ‘Fairness-Krise’ und auch bei der Liste Kurz spricht man gern über die Sozialleistungsempfänger_innen, die nie etwas in Österreich geleistet haben. Geht es nach dem 31-jährigen Kanzlerkandidaten der ÖVP, dann soll man Sozialleistungen erst nach fünf Jahren in Österreich bekommen können. Das Thema Sozialleistungen ist auch bei der AfD zu finden: Sie will, dass die Grenzen geschlossen werden, um den weiteren Zuzug ins Sozialsystem zu verhindern. Im Programm der AfD lässt sich folgendes anchlesen: “Sozialleistungen sollen allen Ausländern aus EU-Mitgliedsstaaten erst dann gewährt werden, wenn diese zuvor vier Jahre versicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt waren und ihren Lebensunterhalt damit vollständig decken konnten”. Als österreichische Schwesterpartei fordert die FPÖ Ähnliches. Sie fordert “den Zugang zu Sozialleistungen für Nicht-Staatsbürger erst nach mindestens fünfjähriger Beitragszahlung”. Auch die ÖVP hat den populistischen Wert dieser Forderung offenbar erkannt und schreibt sich dieselbe Forderung auf die Fahnen. Bereits im März 2017 forderte Kurz, dass Sozialleistungen ausschließliche jene bekommen sollten, die schon mindestens fünf Jahre Beitragsleistungen erbracht hätten. Spannend ist an diesem Beispiel, dass die AfD sich liberaler gibt als ÖVP und FPÖ.
AfD: Sozialleistungen für Zuwanderer_innen erst nach 4 Jahren.
FPÖ: Sozialleistungen für Zuwanderer_innen erst nach 5 Jahren.
ÖVP: Sozialleistungen für Zuwanderer_innen erst nach 5 Jahren.
In die Schlagzeilen schaffte Kurz es auch mit seiner Forderung, dass Eltern für Kinder, die im Ausland leben, geringere Sozialleistungen erhalten sollten. Diese Forderung eint ÖVP und FPÖ. In ihrem Wahlprogramm befinden die Freiheitlichen es für unfair, dass Kinder mit Wohnsitz im Ausland dieselben Familienleistungen erhalten wie Österreicher_innen. ÖVP wie auch FPÖ argumentieren mit möglichen geringeren Lebenshaltungskosten im Ausland. Zuletzt wurde die Forderung im Wahlkampf sogar noch zugespitzt. Obwohl Arbeitstätige in Österreich ganz normal Steuern wie jede_r andere zahlen, sollen ihre Kinder überhaupt keine Familienbeihilfe erhalten, wenn diese im Ausland leben.
FPÖ: Streichung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland.
ÖVP: Streichung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland.
Systemkritik: Das politische Establishment ist Schuld
Was für die FPÖ längst bestehender Teil ihrer Argumentation ist, hat nun auch die Liste Kurz für sich entdeckt: Das politische Establishment ist die Wurzel allen Übels. So liest man im dritten Teil des ÖVP-Programms “Das politische Establishment hat bei der großen Flüchtlingskrise versagt”. Dass Sebastian Kurz beim Eintreffen der größten Flüchtlingswellen im Jahr 2015 bereits Außenminister und Integrationsstaatssekretär war, sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Dass auch er es war, der am Wiener Westbahnhof stand und darüber sprach, dass Österreich mehr Willkommenskultur brauche – daran darf ebenso erinnert werden. Inwiefern nun eine Partei, die selbst seit mehreren Jahrzehnten, länger als jede andere Partei in Österreich, in der Regierung ist und in Zeiten der Flüchtlingskrise den Außenminister und Integragionsstaatssekretär stellt, nicht selbst Establishment sein soll, sei dahingestellt. Trotzdem behauptet Kurz, er selbst sei vielmehr die Alternative, die Veränderung und Besserung bringe.
Die FPÖ hat das Schimpfen aufs politische Establishment in Österreich quasi erfunden. Aber auch sie ist seit Jahrzehnten auf den verschiedenen Ebenen unseres Staats politisch vertreten und war unter Schwarz-Blau bekanntlich in der Bundesregierung. Die AfD reiht sich als vergleichsweise junge Partei ebenso in die Reihe der Establishment-Kritiker_innen ein. Diese Haltung zählt zu den Wesensmerkmalen einer rechtspopulistischen Partei.
AfD: Das politische Establishment ist schuld.
FPÖ: Das politische Establishment ist schuld.
ÖVP: Das politische Establishment ist schuld.
Der Islam als gemeinsamer Feind
Seit 9/11 wird die Rolle des Islams in der Politik zunehmend diskutiert. Verstärkt wurde diese Diskussion durch den Zuzug von Flüchtlingen aus islamisch geprägten Ländern. Wenig verwunderlich also, dass sich die österreichischen und deutschen Parteien auf das Thema stürzten, um auf Stimmenfang zu gehen. Die Liste Kurz widmet ein ganzes Kapitel dem politischen Islam. Demnach leben wir in Österreich in einem Land, das Gefahr läuft jederzeit Opfer eines islamistischen Anschlags zu werden. Von der Burka bis bis Kindergärten: Der Umgang mit dem Islam in Österreich ist Hauptthema in Kurz’ dritten Programmteil.
AfD: Politischer Islam ist die größte Gefahr.
FPÖ: Politischer Islam ist die größte Gefahr.
ÖVP: Politischer Islam ist die größte Gefahr.
Die FPÖ war vermutlich überhaupt weltweit eine der ersten Parteien, welche den Islam als politisches Feindbild ausgerufen hat. Spätestens seit Sprüchen wie “Daham statt Islam” ist die Partei für ihre spezielle Haltung zum Islam bekannt. Während Kurz 2015 noch eine Notwendigkeit für mehr Willkommenskultur sah, liest man heute in seinem Wahlprogramm: “Der politische Islam hat uns bereits voll erreicht. Wir leben nicht mehr auf der Insel der Seligen: Unsere Sicherheitskräfte müssen ständig auf der Hut sein und Gefahrenpotenziale ausfindig machen”. Auch für die AfD ist die Rolle des Islams ein zentrales Thema. Als Überschrift liest man: “Der Islam gehört nicht zu Deutschland”. In ihrer Argumentation ähnelt die ÖVP der AfD: Beide Parteien verweisen in ihrer Diskussion über den Islam auf Scharia-Gerichte in Großbritannien und zeichnen damit ein Drohszenario.
Titelbild: Collage (Gauland/AfD: Olaf Kosinsky; Strache/FPÖ: Gerhard W. Loub; Kurz/ÖVP: Außenministerium)