Die Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) kämpft seit zwei Wochen dafür, dass der Baustellen-Betrieb österreichweit eingestellt wird, um Bauarbeiter zu schützen. Hallo Salzburg hat mit dem neuen GBH-Landesgeschäftsführer Kurt Neckermann über die aktuelle Situation gesprochen.
Hallo Salzburg: Herr Neckernmann, warum soll Ihrer Meinung nach der Baustellenbetrieb in Österreich eingestellt werden?
Kurt Neckermann: Seit der Verkündung der Ausgangsbeschränkungen heißt es, der soziale Kontakt soll auf ein Minimum reduziert werden. Weiterarbeiten sollen nur jene, die in so genannten systemrelevanten Bereichen arbeiten, wie Pflege, Handel, Reinigung und dergleichen. Selbst dort gibt es aber hohe Sicherheitsmaßnahmen, damit eine Ansteckung mit dem Corona-Virus vermieden wird. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Abstand zueinander halten und es sollen Schutzmaßnahmen getroffen werden, wie die Bereitstellung von Handschuhen und Desinfektionsmittel. Hofer hat zum Beispiel Plexiglas-Scheiben für die MitarbeiterInnen an den Kassen anbringen lassen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen. All das sind Maßnahmen, die am Bau nicht möglich sind.
Warum eigentlich nicht?
Das beginnt bereits bei der Anreise zur Baustelle, die normalerweise mit Firmen-Bussen abgewickelt wird. Im Bus kann kein Sicherheitsabstand gewährleistet werden. Da sprechen wir von einem Abstand von maximal 20 Zentimetern. Auf der Baustelle geht es dann weiter. Es gibt viele Arbeiten, die eine Zusammenarbeit von mindestens zwei Personen voraussetzen, weil viele Arbeiten nun mal vier Hände brauchen und nicht zwei. Wir haben letzte Woche immer noch viele Anrufe von Bauarbeitern erhalten, die in Firmen-Bussen nach Tirol gefahren wurden, um dort auf Baustellen zu arbeiten. Noch einen Tag, bevor alle Gemeinden in Tirol unter Quarantäne gestellt wurden, mussten Bauarbeiter in den Firmen-Bussen nach Tirol zu den Baustellen fahren und weiterarbeiten. Das muss man sich mal vorstellen!
Sind die Firmen so uneinsichtig, dass sie den Profit über das Wohl der Arbeiter stellen?
Ganz im Gegenteil. In Salzburg wurde auf 90 Prozent der Baustellen der Betrieb eingestellt. Dank dem Kurzarbeitsmodell, das die Sozialpartner in Österreich ausverhandelt haben, gibt es nun die Möglichkeit, Arbeitsplätze aufrecht zu halten und damit sowohl die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen als auch den Weiterbestand der Firmen zu ermöglichen. Damit werden Existenzen gesichert. Dadurch war es sowohl für große Baukonzerne wie STRABAG und Porr aber auch für verhältnismäßig kleinere Betriebe wie die Ebster Bau GmbH möglich, den Baustellenbetrieb einzustellen, ohne damit die Zukunft des eigenen Unternehmens aufs Spiel zu setzen.
Es gibt aber immer noch Betriebe, die sich weigern, das Kurzarbeitsmodell in Anspruch zu nehmen und darauf bestehen, dass weitergearbeitet wird. Gerade für kleinere Betriebe ist es natürlich auch schwieriger, sich gegen die Auftraggeber, die zum Teil massiven Druck ausüben und mit Klagen drohen, Stand zu halten. Die Aussagen des Salzburger Wirtschaftskammer-Präsidenten Manfred Rosenstatter, dass es keinen Grund dafür gibt, den Baustellen-Betrieb einzustellen, waren dabei nicht sehr hilfreich, um die restlichen zehn Prozent davon zu überzeugen. Ein zusätzlicher Wehrmutstropfen ist, dass österreichweit knapp 17.000 Bauarbeiter gekündigt wurden. Zusätzlich zu den saisonbedingten 40.000 Arbeitslosen im Bauberuf Ende Februar ist das eine immens hohe Zahl! Angesichts des Modells der Kurzarbeit ist das nicht notwendig.
Was kann man in so einer Situation als Gewerkschaft machen, um die Firmen zur Vernunft zu bringen?
Die Gewerkschaft Bau-Holz hat die politischen Entscheidungsträger gebeten, einen Baustellen-Stopp zu veranlassen. Unser Bundesvorsitzender Beppo Muchitsch hat dazu Gespräche mit der Bundesregierung geführt, damit sie einen Baustellen-Stopp anordnen. Unser GBH-Landesvorsitzender Othmar Danninger und ich haben uns an Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer gewendet, damit er seine Möglichkeiten auf Landesebene ausschöpft, um den Baustellenbetrieb im Bundesland auszusetzen. Es gab diese Woche mehrfach Verhandlungen der Sozialpartner, um eine Entscheidung herbei zu führen.
Was ist bei den Verhandlungen herausgekommen?
Es wird von den politischen Entscheidungsträgern keine Anordnung geben, den Baustellen-Betrieb in Österreich oder Salzburg einzustellen. Allerdings werden die Schutzmaßnahmen erhöht. Die Bauarbeiter sollen Schutzmasken und Vollvisierhelme bekommen, damit sie keiner Ansteckungsgefahr mehr ausgesetzt sind. So heißt es zumindest.
Sie bezweifeln, dass das ausreicht?
Ich bin jetzt schon über so viele Jahre bei der Gewerkschaft Bau-Holz tätig und war als betriebsbetreuender Sekretär ständig auf Baustellen unterwegs. Wie soll denn plötzlich ein Mindestabstand von einem Meter in den Firmen-Bussen gewährleistet werden? Es sind ja immer noch dieselben Fahrzeuge. Glauben Sie, dass die Unternehmen irgendwo in ihren Schubladen eine ausreichende Anzahl an Vollvisierhelmen versteckt haben, die jetzt plötzlich von einer Sekunde auf die nächste zum Einsatz kommen? Es wird Wochen dauern, bis die Schutzkleidung in entsprechender Stückzahl geliefert werden kann. Viele Produktionsfirmen haben ja auch ihren Betrieb runtergefahren.
Wie geht es jetzt weiter?
Wir werden genau beobachten, ob sich die Situation für die Bauarbeiter auf den Baustellen verbessert, also ob die Schutzmaßnahmen eingehalten werden oder nicht. Wir sind laufend mit den Arbeitern in Kontakt und fahren auch zu Baustellen, um uns die Situation vor Ort anzuschauen, natürlich mit dem notwendigen Sicherheitsabstand. Als Gewerkschaft Bau-Holz werden wir weiter dafür kämpfen, dass der Schutz der Mitarbeiter oberste Priorität hat und die menschlichen Interessen vor die wirtschaftlichen gestellt werden und wir richten auch weiterhin unseren Appell an die Unternehmen, ihren Baustellenbetrieb einzustellen, sich nicht von den Drohungen der Auftraggeber einschüchtern zu lassen. Wenn sie sich schon nicht davon überzeugen lassen, dass der Schutz der Arbeiter Vorrang haben muss, dann werden sie ja hoffentlich bald einsehen, dass es auch für die Wirtschaft wichtig ist, so schnell wie möglich wieder in einen Normalzustand zurück zu kehren. Dafür braucht es nun mal eine Eindämmung der Infektionsrate.
Kurt Neckermann ist schon seit seinen Jugendtagen in der Gewerkschaft aktiv und war über viele Jahre lang betriebsbetreuender Sekretär bei der Gewerkschaft Bau-Holz. Seit 1. März ist er GBH-Landesgeschäftsführer in Salzburg.