Genauso, wie die Medizin bei der Bekämpfung des Corona-Virus Neuland betritt, gibt es auch für die wirtschaftlichen Herausforderungen infolge des Shut-Downs keine Erfahrungen aus der (modernen) Geschichte, auf die man zurückgreifen könnte. In dieser Beitragsserie auf Hallo Salzburg vertritt der AK-Wirtschaftsexperte Reinhard Hofbauer den keynesianischen Standpunkt, dass sich die Politik nicht aus dieser Krise heraussparen kann.
Teil 1: Die Wirtschaftskrise wird länger anhalten als die Epidemie
Teil 2: Warum Staatsschulden im Kampf gegen die Corona-Krise hilfreich sind
Teil 3: Wer soll die Kosten für Corona-Krise zahlen?
Teil 4: Krisenzeiten als Wendezeiten?
Teil 1:
Die Wirtschaftskrise wird länger anhalten als die Epidemie
Schätzungen zu den ökonomischen Auswirkungen der Corona-Krisen gleichen derzeit Wasserstandsmeldungen, die sich täglich, ja stündlich ändern. Ursächlich dafür ist, dass die Wirtschaft nicht aus sich heraus in massive Probleme geraten ist, sondern – und hier verwendet die Wirtschaftssprache treffenderweise medizinische Begriffe – um einen „externen Schock“, der den „Wirtschaftskreislauf“ abrupt unterbrochen hat.
Ebenso wie das Covid-19 Virus ist die wirtschaftliche Entwicklung mit einem Herunterfahren der Wirtschaft in fast allen Ländern der Welt unbekannt. Es fehlen Erfahrungen für den Verlauf und den Umgang mit der Krise. Unklar ist aktuell nicht nur die Dauer der Einschränkungen, sondern auch, ob und wann die Wirtschaft in den gewohnten Lauf zurückkehrt, wie viele Betriebe in welchen Branchen die Krise überhaupt überstehen, wie hoch die Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Einkommenseinbußen sein werden, wann die internationalen Wertschöpfungsketten wieder greifen oder ob die Konsumenten rasch ihre gewohnten Konsummuster aufnehmen und es zu Aufhol- und Nachholeffekten kommt. Bekannt ist nur die wenig hilfreiche Einsicht, dass im Wirtschaftskreislauf wie im menschlichen Körper alles mit allem zusammenhängt.
Ausdruck der Unsicherheit sind die Schätzungen zum Ausmaß des wirtschaftlichen Einbruchs, die in den letzten Wochen dargeboten worden sind. Sie beruhen nicht auf Prognosen (die immer konstante Annahmen benötigen), sondern werden auf Grundlage von Szenarien gedacht. Die zugrundeliegenden Annahmen variieren dabei häufig. Wifo und IHS gingen Ende März 2020 in optimistischen Szenarien von einem Wirtschaftseinbruch von 2,5% bzw. 2% aus, die ÖNB ging in ihrem Prognoseszenario Ende März (das eine schrittweise Lockerung der Maßnahmen von Mitte April bis Mitte/Ende Mai annahm) von einem Rückgang des realen BIP um 3,2 % aus. Der deutsche Sachverständigenrat veröffentlichte Ende März ein Sondergutachten zur Corona-Pandemie und berechnete drei Szenarien: im pessimistischen Risikoszenario, bei dem die wirtschaftlichen Einschränkungen über den Sommer anhalten, würde es in Deutschland zu einem Rückgang des BIP um 4,5% kommen. Mitte April publizierte der IWF nun seine Vorausschau, bei der die Wirtschaftsleistung Österreichs und Deutschlands um 7%, und jene der gesamte Eurozone um 7,5% einbrechen.
Der Trend der wirtschaftlichen Vorausschauen deutet aktuell steil nach unten und es scheint sich abzuzeichnen, dass die ökonomischen Auswirkungen der Krise riesig und ziemlich sicher nachhaltiger sein werden als die Seuche selbst, insofern diese irgendwann im Lauf dieses oder nächsten Jahres überwunden werden kann. Eine wirtschaftliche Wiedergenesung hängt von der verabreichten Medizin ab. Aufgrund der Dosis scheint aber jedenfalls schon absehbar, dass es heftige Nach- und Nebenwirkungen der Behandlung für die Wirtschaft und damit auch für den Staatshaushalt geben wird.
Mit dieser Serie werde ich begründen, warum “Sparen” der falsche Ansatz wäre und ein substantieller Beitrag der wirklich Wohlhabenden in Österreich zu den Behandlungskosten der ökonomischen Krise notwendig ist.