Wenn das scheinbar Unmögliche plötzlich möglich wird – Teil 2
2024 hat den Titel Superwahljahr wahrhaftig verdient: Nach der Salzburger AK-Wahl mit einem fulminanten FSG-Sieg stehen die Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen an, die EU-Wahl und die Nationalratswahlen folgen bald. Jahre wie diese sind für politische Parteien die ideale Chance, politische Machtverhältnisse zu ändern und progressive Politik für die Mehrheit der Bevölkerung Wirklichkeit werden zu lassen. Bereits im letzten Beitrag wurde gezeigt, dass es in mehreren Gemeinden auch 2019 gelungen ist, das scheinbar Unmögliche zu ermöglichen und politische Mehrheiten überraschend zu verändern. Ein Rückblick auf das Jahr 2019 in Annaberg-Lungötz und Maria Alm.
Annaberg-Lungötz – die rote Gemeinde von Marcel Hirscher
Wer von der Gemeinde Annaberg-Lungötz im Tennengau hört und sich im Wintersport gut auskennt, wird unweigerlich an ihn denken müssen: Marcel Hirscher, Gewinner von mehreren olympischen Goldmedaillen und unzähligen Weltmeistertiteln im Slalom und Riesenslalom. Doch die Gemeinde mit ihren knapp 2200 Einwohner:innen darauf zu reduzieren, wäre zu kurz gedacht. Hier ein Beispiel: Vor fünf Jahren, zu den letzten Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen, ereignete sich dort eine große politische Überraschung. Nachdem der bis 2019 amtierende ÖVP-Bürgermeister nach 25 Jahren im Amt nicht mehr kandidierte, wurden die Karten neu gemischt. Das Ergebnis glich einer kleinen Sensation. Mit über 63 Prozent wurde Martin Promok (SPÖ) zum Bürgermeister gewählt. „Das war unter dem Strich auf jeden Fall überraschend, vor allem mit diesem eindeutigen Ergebnis. Unser Ziel war es damals in erster Linie, den Vizebürgermeister zu stellen“, erzählt Promok, der 2024 erneut als Bürgermeister kandidiert – ohne Konkurrent:in aus anderen Parteien. „Wenn mir damals jemand erzählt hätte, dass ich Bürgermeister werde und fünf Jahre später ohne Gegenkandidaten da stehe, das hätte ich niemals geglaubt.“ In der Gemeindevertretung hält die ÖVP nach wie vor ein Mandat mehr – 7 Mandate gingen an die ÖVP (2 weniger als zuvor), 6 gingen an die SPÖ (ein Gewinn von 2 Mandaten). Die fehlende Mehrheit in der Gemeindevertretung ist laut Promok nicht zwangsläufig ein Nachteil: „Wenn es keine klare Mehrheit für eine Partei gibt, dann müssen Lösungen ausdiskutiert werden und die beste Idee gewinnt. Dafür braucht es das Gespräch und die Zusammenarbeit.“ Das funktioniere meistens gut, betont der Bürgermeister.
Die eigenen Stärken müssen im Fokus stehen, die Themen aus der Bevölkerung sind zentral.”
Martin Promok, Bürgermeister von Annaberg-Lungötz
Doch woran liegt der Erfolg von 2019? Eine konstruktive Zusammenarbeit für die Gemeinde und das Kämpfen für die Bedürfnisse des Ortes sind wichtig gewesen, sagt Promok im Gespräch. „Mit einem jungen, dynamischen und dennoch erfahrenen Team waren wir damals gut vorbereitet. Das haben die Menschen in Annaberg-Lungötz auch gemerkt.“ Auf die Frage, was er anderen für die Wahlen 2024 raten würde, hat Promok eine klare Antwort parat: politische Angriffe auf andere Parteien vermeiden. Wie viele andere Kolleg:innen aus der Gemeindepolitik gilt auch für Promok: „Die eigenen Stärken müssen im Fokus stehen, die Themen aus der Bevölkerung sind zentral. Die Schwächen der politischen Gegnerinnen und Gegner werden von den Menschen ohnehin gesehen und thematisiert, da muss man sich nicht einmischen.“
Maria Alm – Tourismus im Einklang mit den Einheimischen
Auch im Pinzgau erlebte eine Gemeinde einen – für viele – unerwarteten Bürgermeisterwechsel. Seit 2019 ist Hermann Rohrmoser (SPÖ) Ortschef für die rund 2200 Einwohner:innen, die zuvor jahrelang Bürgermeister der ÖVP und der WPM (Wählergemeinschaft Pro Maria Alm) im Ort hatten. „Das war damals schon sehr überraschend, dass wir den Bürgermeister stellen konnten“, erinnert sich Rohrmoser. Dabei gab es nicht nur den Bürgermeistersessel für die SPÖ, sondern auch einen Zugewinn von 17.8 Prozent in der Gemeindevertretung, was eine Verdoppelung der Mandate von 3 auf 6 Sitze hatte. Ein Grund dafür war sicherlich der Rückzug des langjährigen WPM-Bürgermeisters, der kurz vor den Wahlen sein Amt niederlegte. Aber auch die Wahrnehmung der Gemeindepolitik dürfte ein Grund für diesen Erfolg gewesen sein, erzählt Rohrmoser: „Die Bürgerinnen und Bürger waren mit der Politik nicht mehr einverstanden, das haben die Wahlen gezeigt. Die Menschen im Ort kannten mich aus dem Vereinsleben und wir hatten gute Leute im Team, die mit ehrlicher und menschlicher Arbeit gezeigt haben, was wir vorhaben. Das hat uns geholfen.“
Statt auf die politische Konkurrenz haben wir uns auf unsere eigenen Themen konzentriert.”
Hermann Rohrmoser, Bürgermeister von Maria Alm
Inhaltlich ging es für Rohrmoser und sein Team vor allem um die Bedürfnisse der Menschen im Ort. „Wir sind ein Tourismusort, wir leben davon und brauchen das. Aber auch unsere Bewohnerinnen und Bewohner dürfen nicht vergessen werden. Wir sind hier mit Maß und Ziel vorgegangen, das haben die Menschen gemerkt“, fasst der Bürgermeister einen der Hauptpunkte zusammen. Das gelte auch für die Ansiedelung von Großbetrieben in der Gemeinde. Als SPÖ habe man sich dagegengestellt, einer Umwidmung für neue touristische Großbetriebe im Grünland zuzustimmen. Der Erweiterung von heimischen Betrieben stehe man jedoch positiv gegenüber. Ein weiterer Schlüssel auf dem Weg zum Erfolg für Rohrmoser: keine politischen Angriffe auf die Konkurrenz. „Natürlich haben wir uns mit den anderen Parteien beschäftigt, aber nicht öffentlich. Für uns war es wichtig, eine Bürgermeisterkandidatur zu haben und unsere Themen in den Fokus zu stellen. Das ist uns in einem ehrlichen Wahlkampf gut gelungen“, erklärt der SPÖ-Politiker.
Gezeigt, wie es gelingen kann
Ob nun Mattsee oder Straßwalchen, Maria Alm, Annaberg-Lungötz oder auch die Pongauer Gemeinde Filzmoos: Viele Gemeinden haben bewiesen, dass politische Veränderungen möglich sind. Absolute Mehrheiten, die sich lieber dem Verwalten statt dem Gestalten widmen, haben keinen Anspruch auf ewiges Bestehen. Oft genügt eine einzige Wahl, um für ungeahnte Überraschungen zu sorgen. Viele Menschen in Salzburg sehnen sich nach einer fortschrittlichen und gestalterischen Politik, die auf die Menschen eingeht und deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt des politischen Handelns stellt. Im Jahr 2024 besteht die Möglichkeit, politischen Stillstand vielerorts zu stoppen und Hoffnungen von aktiver Politik wahr werden zu lassen. Der 10. März wird in jeder der 119 Gemeinden für sich genommen entscheidend, ob genau diese Hoffnungen bald schon Realität werden können.