In Minneapolis tötet ein Polizist einen Schwarzen während einer Verkehrskontrolle. Kurz zuvor ereignet sich ein ähnlicher Vorfall in Louisiana. Wenig später werden fünf Polizisten von einem Heckenschützen bei einem Marsch gegen Polizeigewalt in Dallas erschossen.
Es sind solche Bilder aus Amerika, die derzeit fassungslos machen. Sie sind symptomatisch für den tief liegenden Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft. “I’m saddened and disappointed in THIS America — we should be further along. WE ARE NOT“, sagt Jay Z in einem Statement zu seinem neuen Song „Spiritual“, der die Polizeigewalt anprangert.
„Heute sage ich euch, meine Freunde, trotz der Schwierigkeiten von heute und morgen habe ich einen Traum.“ Martin Luther King
Es war der 28. August 1963. Martin Luther King marschierte nach Washington um die Rassentrennung zu überwinden. Mit ihm waren über 250.000 Menschen gekommen, um gemeinsam für ein neues, besseres Amerika zu demonstrieren. Zuvor hatte Präsident John F. Kennedy gegen den Widerstand der Südstaaten ein Gesetzespaket für die Gleichberechtigung der Schwarzen auf den Weg gebracht.
Dem “Marsch für Jobs und Freiheit” war ein beschwerlicher Kampf um gleiche Rechte vorausgegangen, den die Bürgerrechtlerin Rosa Parks in Montgomery/Alabama initiiert hatte. Am 1. Dezember 1955 weigerte sie sich, ihren Sitzplatz in einem öffentlichen Bus für einen Weißen freizumachen. Die Verhaftung der gelernten Näherin führte schließlich zu einem erfolgreichen stadtweiten Boykott der Busse.
Rosa Parks und Martin Luther King, 1955. [Public Domain]
Die Organisation des Boykotts wurde damals in die Hände eines unbekannten Baptistenpredigers namens Martin Luther King gelegt. Jahre später sollte King eine der bedeutendsten Reden der jüngeren Geschichte am Fuße des Lincoln Memorials halten. Damals sagte er: „Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt.“ Heute muss man sich die kritische Frage stellen, ob aus Kings Traum nicht eher ein Albtraum geworden ist.
Aktuelle Statistiken verdeutlichen, wie stark Schwarze in den USA noch immer benachteiligt sind: Sie verdienen rund 25 Prozent weniger und werden doppelt so häufig festgenommen wie Weiße. Schwarze verfügen zudem über deutlich schlechtere Bildungsabschlüsse. Egal welche Vergleichsdaten man heranziehen möchte, die Zahlen zeigen eine strukturelle Ungleichheit.
“Was hat ein Mensch davon, würde sich Martin Luther King fragen, wenn er zwar am Tisch sitzen dürfte, aber kein Geld zum Essen hätte?“, fragte US-Präsident Obama im Jahr 2013 sinngemäß. Auch sein Versprechen eines vereinten Amerikas ließ sich nicht verwirklichen. Die Vision eines postrassistischen Zeitalters blieb ein nicht eingelöstes Versprechen seiner ersten Amtszeit.
Brutale Verhaftung während der Watts-Unruhen 1965 in Los Angeles. [Public Domain]
Offiziell wurde die Rassentrennung vor über 50 Jahren mit dem „Civil Rights Act“ beendet, die seit der Abschaffung der Sklaverei das Leben der Afroamerikaner_innen bestimmte. Eine “farbenblinde” Gesellschaft sind die USA aber dennoch nicht geworden. Ursachen dafür gibt es viele. Die Abstiegsängste der weißen Mittelklasse beispielsweise, die mit den industriellen Umwälzungen einhergingen.
“Wir können niemals zufriedengestellt sein, solange der Neger das Opfer der unaussprechlichen Schrecken polizeilicher Brutalität ist.” Martin Luther King hat das gesagt, damals vor 53 Jahren. Es sind Worte, die heute von beklemmender Aktualität sind. Es wird neue soziale Bewegungen brauchen, neue Parks und Kings, die den friedlichen Kampf gegen Unterdrückung und Rassismus fortsetzen.
Titelfoto: Martin Luther King am Fuße des Lincoln Memorials, 28. August 1963. [Public Domain]