Gesellschaft

Ey Meridian: Hast du meine Kamera verschissen?

posted by Arne 25. Juli 2017 0 comments

Hallo liebes Meridian-Team,

ich habe am 22. April 2017 gegen 21 Uhr meinen Fotorucksack in der Meridian-Bahn von München nach Salzburg liegen gelassen. Ich kam grad von einem internationalen Flug, war völlig übermüdet und habe beim Aussteigen in Salzburg wohl verschlafen und meinen Rucksack in der Gepäckablage liegen gelassen. Im Rucksack waren meine Reiseunterlagen, mein Ausweis, mein Haustürschlüssel, mein eBook-Reader und meine komplette Kameraausrüstung im Neuwert von 8000 Euro. Dazu noch die vollen Speicherkarten mit Fotos, die ich im Urlaub geschossen habe. Also sowohl finanziell als auch emotional wahnsinnig beschissen.

Ich habe bereits wenige Minuten nach dem Aussteigen meinen Verlust noch im Bahnhof bemerkt. Da war der Meridian aber bereits wieder umgedreht, also auf dem Weg zurück nach München. Nachdem es spät abends war, hatte das ÖBB-Reisezentrum im Salzburger Bahnhof bereits geschlossen. So habe ich einen ÖBB-Security-Mitarbeiter angesprochen, ob er mir weiterhelfen könne (Meridian Bescheid geben, Zug anfunken, whatever). Der Mann war sehr nett, konnte mir aber nicht weiterhelfen, da er ja von der ÖBB sei und nicht vom Meridian (ein privates, deutsches Zugunternehmen). Stattdessen gab er mir eine Meridian-Service-Card, auf der die Hotline-Nummer des Meridian stand.

Dort habe ich um 21:37 Uhr angerufen. Zu diesem Zeitpunkt war der Zug gerade mal 20 Minuten wieder unterwegs. Ich wurde während meiner Fahrt auch von einem Schaffner kontrolliert, hatte daher auch die Hoffnung, dass die Hotline den Zug anfunken lässt, der Schaffner durch den Zug geht und meinen Rucksack einsammelt. Der Zug ist um diese Uhrzeit auf dem Streckenabschnitt eigentlich immer fast leer. Das sollte also kein großes Problem sein, dachte ich.

Nein, wir haben leider keine Möglichkeit den Zug zu kontaktieren. Melden Sie sich einfach am Montag (drei Tage später) beim Meridian-Fundamt in Rosenheim.

Ich war so fassungslos, dass ich den Callcenter-Agent in Neubrandenburg gar nicht beschimpfen konnte. So stand ich im Bahnhof. Mein Rucksack lag wohl im Zug auf dem Weg nach München und niemand konnte mir helfen. Ich war völlig ratlos.

Ich habe dann noch auf den nächsten Meridian-Zug gewartet mit der Abfahrt um 23 Uhr und habe der Zugbegleiterin mein Problem geschildert. Diese hat dann auch tatsächlich versucht, den Zug telefonisch zu erreichen.Sie machte also das, wozu die Hotline des Meridian offenbar nicht in der Lage war. Leider konnte sie den betreffenden Schaffner dennoch nicht erreichen und mutmaßte, dass dieser bereits vom Zug gegangen sei und Feierabend hätte. Dieser habe aber sicher den Rucksack an sich genommen, wenn der noch im Abteil gelegen wäre und würde ihn zeitnah im Fundamt Rosenheim deponieren, sprach sie mit Mut zu.

So ging ich nach Hause, mit meiner Meridian-Service-Card in der Hand…

Am nächsten Tag habe noch zweimal die Hotline angerufen, beide Male mit negativer Information. Zwischenzeitlich hatte ich auch eine Antwort auf meine Online-Nachricht, welche ich noch am Verlustabend geschrieben hatte, erhalten: Auch hier negativ. Es wurde mir immerhin von der Stimme am anderen Ende der Hotline Hoffnung gemacht: Bis Mittwoch, Donnerstag (26., 27.4.) könne der Rucksack sicher noch auftauchen, je nachdem wo und wer ihn abgegeben habe, dauere es immer eine gewisse Zeit, bis Fundsachen im zentralen Fundbüro in Rosenheim ankommen. So habe ich am 24., 25. und 27. April angerufen, jedoch ohne Erfolg. Beim letzten Anruf wurde mir versichert, dass der Rucksack, sollte er gefunden worden sein, jetzt auf jeden Fall in der Datenbank erscheinen müsse. Nachdem dies nicht der Fall sei, bräuchte ich mir keine Hoffnungen mehr machen. Natürlich habe ich auch andere Fundbüros kontaktiert (Deutsche Bahn, ÖBB, Salzburg, München). Auch hier keine Spur. Weil sich in meinem Rucksack jedoch nicht nur die Kameraasurüstung, sondern auch mein Reisepass und ein Haufen Visitenkarten befanden, wollte ich dennoch nicht aufgeben…

Auszug aus meinem Anrufprotokoll

Meridian hatte mir am 27. April de facto mitgeteilt, dass die Lage aussichtslos ist. So entschied ich mich zum nächsten Schritt und habe bei der Polizei Salzburg Anzeige erstattet. Liegen gelassene Sachen an sich zu nehmen ist Unterschlagung. Der Beamte in der Rathauswache war sehr aufmerksam und genau, hatte alles aufgenommen, mich fotografiert (um mich bei etwaigen Videoauswertungen vom Bahnsteig identifizieren zu können) und entließ mich mit dem Hinweis, ich würde was von ihnen hören, sollte sich etwas ergeben. Ich habe nichts mehr gehört.

Die Bestätigung über die Anzeige bei der Polizei Salzburg

Mitte Juli habe ich nochmal alle Fundbüros angeschrieben. Vielleicht hat man ja zumindestens meinen Ausweis oder den Rucksack in irgendeinem Mülleimer gefunden, lautete zumindest meine leise Hoffnung. Daran geglaubt habe ich aber nicht wirklich. Wer sollte sich auch jetzt noch melden? Die Möglichkeit dazu hätte der Finder oder die Finderin längst gehabt. Mein Ausweis und meine Visitenkarten beinhalten schließlich alle Informationen, die notwendig wären: E-Mail, Telefon, Adresse.  Doch ich wollte auf Nummer sicher gehen.

Zwischenzeitlich habe ich meine Kamerausrüstung auch schon ersetzen können. Dank der Kulanz meines Arbeitsgebers und eines Privatkredites war das möglich. Ich arbeite als Fotograf und bin auf eine Kameraausrüstung schließlich angewiesen. Alle Fundbüros schrieben mir zurück, fast alle mit negativem Ergebnis. Ein Fundbüro hatte tatsächlich etwas im Lager, das auf meine Beschreibung passte: Das Fundbüro des Meridian in Rosenheim.  Sie schrieben am 24. Juli :

Sehr geehrter Herr Müseler,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 18.07.2017.

Eine auf Ihre Beschreibung passendes Fundstück ist gefunden und im Kundencenter Rosenheim abgegeben worden.

Bitte melden Sie sich innerhalb der Öffnungszeiten unseres Kundencenters Rosenheim um zu überprüfen, ob es sich bei dem gesuchten Rucksack samt Inhalt um Ihr Eigentum handelt. Vielen Dank.

Dazu die Öffnungszeiten des Kundencenters und die altbekannte Hotline-Nummer. Ich wohne anderthalb Stunden von Rosenheim entfernt. Darum wollte ich telefonisch sicher gehen, dass tatsächlich was gefunden wurde. Also rief ich an. Die Call-Center-Mitarbeiterin war ziemlich überrascht über die Mail, denn sie konnte nichts in ihrer Datenbank finden. 15 Minuten suchte sie sich durch diverse Datenbanken: Nichts. Meine Frage, ob jetzt wirklich trotz der Mail nichts gefunden wurde, bejahte sie.

Nun war ich endgültig  ratlos. Ich hatte eine Mail, in der stand, dass etwas gefunden wurde und die Auskunft der Hotline, dass nichts gefunden wurde bzw. die Mail falsch sei. Mein Versuch, direkt beim Kundenzentrum Rosenheim anzurufen, stellte sich als unmöglich heraus. Man landet immer im gleichen Callcenter des Meridian in Neubrandenburg.

Bloß um die letzten 5 Prozent Zweifel in mir zu beseitigen und endlich mit dieser blöden Geschichte abschließen zu können, habe ich mich mit meiner Frau noch am gleichen Tag ins Auto gesetzt und wir sind nach Rosenheim gefahren. Eine halbe Stunde vor Dienstschluss haben wir schließlich das Kunden- und Kompetenzzentrum im Bahnhof Rosenheim erreicht. Das Kundenzentrum ist eigentlich nur ein Kundenschalter mit einer Mitarbeiterin, die dort Tickets verkauft. Dieser Frau schilderte ich die E-Mail (vom Anruf sagte ich ihr nichts) und bat sie darum, nachzuschauen. Als ich auf ihre Frage, seit wann denn der Rucksack abgängig sei, wahrheitsgemäß Auskunft gab, antwortete sie: “Was? Da kommen Sie erst jetzt? Seitdem sind hier 500 Rucksäcke abgegeben worden.” – Auf meine Anmerkung, dass ich die Mail erst heute bekam machte sie sich offensichtlich lustlos ans Werk und schaute die Datenbank durch: “Das dauert jetzt sicher mindestens ne halbe Stunde!”

Nach aufgerundeten fünf Minuten meinte sie, sie hätte nichts in der Datenbank. Auf meine Frage, wie es denn dann zu der Mail gekommen sein kann, ließ sie sich diese dann doch aushändigen: “Ach, Arne Müseler sind sie? Da habe ich was. sprach sie und ging nach hinten ins Lager. Es dauerte keine Minute, und sie holte meinen Rucksack hervor. Der sei am 23. April im Zug anonym abgegeben worden. “Schauen Sie denn nicht in die Fund-Rucksäcke rein?” – “Doch natürlich schauen wir die durch.”

Meine Visitenkarten aus dem Rucksack

Nachdem ich nun wieder Herr meines Rucksackes war, wagte ich einen Blick ins Innere: Wie zu erwarten war das Kamerafach komplett ausgeräum.  Alle anderen Seitentaschen blieben jedoch unberührt. Offensichtlich hatte es da jemand eilig. Ausweis, Schlüssel, ein Packen Visitenkarten, Speicherkarten, Akkus, eBook-Reader: Alles da. Nur eben die Kameras und Objektive nicht mehr. Wir bedankten uns und fuhren nach Hause.

Nur die Kameras fehlen: Handschuhe, eBook, Reisepass, Visitenkarten, Akkus und das Aeroflot Bordmagazin

Ich bin mehr als glücklich, zumindestens einen Teil meiner Urlaubsfotos wieder zu haben (die Speicherkarten, welche in den Kamers steckten, waren natürlich weg), und auch mein Reisepass mit all den Stempeln und Erinnerungen macht mich sehr, sehr glücklich. Trotzdem habe ich ein paar Fragen, die ich hiermit stellen möchte:

  • Wäre der Zug, in dem mein Rucksack lag, ebensowenig kontaktierbar gewesen, wenn ich zu Protokoll gegeben hätte, dass sich darin Drogen oder ne Bombe befinden?
  • Wie kann es sein, dass mir die Hotline des Meridian (die einzige Kontaktmöglichkeit zum Unternehmen) mehrfach die Auskunft gibt, es sei nichts gefunden worden?
  • Warum kontaktiert mich niemand? Mein Name, meine Adresse, meine Telefonnummer und meine Emailadresse waren mehrfach auf den ersten Blick im Rucksack zu finden.
  • Nachdem ich davon ausgehe, dass die Salzburger Polizei nach meiner Anzeige auch beim Meridian nachgefragt hat: Wurde denen auch gesagt, es sei nichts gefunden worden?
  • Wenn ich nicht in akzeptabler Distanz zu eurem Kundencenter wohnen würde, sondern z. B. ein Tourist aus Norddeutschland wäre: Dann würde ich mein Eigentum nie von euch zurück bekommen haben, oder? Kann es vielleicht sein, dass deswegen “500 Rucksäcke” bei euch in Rosenheim rumstehen?
  • Etwas zu haben und zu sagen, man habe es nicht: Ist das nicht eigentlich Unterschlagung?

Nicht das wir uns falsch verstehen: Ich bin der Depp, der den Rucksack hat liegen lassen. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Geschichte besser laufen hätte können. Und das war nicht meine Schuld.

Mit besten Grüßen von einem treuen Kunden,

Arne Müseler

PS: Diesen offenen Brief habe ich auch dem Meridian gemailt. Hier lässt sich die Antwort von Meridian nachlesen.

 


Titelfoto: Eines der gefundenen Fotos. Der Autor schaut aus der transsibirischen Eisenbahn. Gott sei Dank wird diese nicht vom Meridian betrieben.

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