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Die Ausschreibung der Salzburger Frauenhäuser muss gestoppt werden!

posted by Jutta Moser-Daringer 23. Juni 2020 0 comments

Die öffentliche Ausschreibung der Frauenhäuser in Hallein und der Stadt Salzburg sorgt für heftige Kritik, sogar auf bundespolitischer Ebene. Erst letzten Samstag sind trotz Starkregens hunderte Menschen für den Erhalt der Frauenhäuser auf die Straße gegangen. Hallo Salzburg hat berichtet.

Kommentar

Mit ihrem Vorstoß, die Salzburger Frauenhäuser EU-weit auszuschreiben, hat NEOS-Landesrätin Andrea Klambauer für große Aufregung gesorgt. Zurecht, denn ihr Vorhaben zeugt nicht nur von Unverständnis, wenn es um die Geschichte der Autonomen Frauenbewegung geht, sondern zeigt auch, dass die Kostenfrage für die Landesrätin wichtiger scheint, als einen tatsächlichen Schutz vor Gewalt zu bieten. Sämtliche Expert_innen warnen österreichweit davor, diese Ausschreibung wie angekündigt durchzuführen. Dafür gibt es viele Gründe, die man nicht einfach so vom Tisch wischen darf.

Die aktuellen Zahlen zu Gewalt an Frauen zeigen sehr deutlich, dass Einrichtungen wie die Frauenhäuser unverzichtbar sind und der Schutz der betroffenen Frauen oberste Priorität haben muss. In den 15 Einrichtungen der Autonomen Frauenhäuser Österreichs, zu denen auch die beiden betroffenen Frauenhäuser im Land Salzburg zählen, wurden im Jahr 2018 insgesamt 1.253 Personen betreut – 623 Frauen und 630 Kinder. Auch die Zahlen der Frauenmorde sind erschreckend und in den letzten Jahren wieder deutlich angestiegen. 2014 wurden in Österreich noch 19 weibliche Mordopfer verzeichnet. 2019 waren es bereits 34 Frauen, die ermordet wurden. Erschreckend sind dabei auch die Zahlen zu den Betretungsverboten im Land Salzburg. Insgesamt wurden im Jahr 2018 524 Betretungsverbote im Land Salzburg verhängt. Dabei muss immer beachtet werden, dass die Dunkelziffer noch wesentlich höher ist, weil viele Frauen Angst davor haben, Hilfe zu suchen.

Mit den Covid-19 Beschränkungen hat sich die Situation noch weiter verschärft, da es zu einem Anstieg von Fällen häuslicher Gewalt gekommen ist. Gerade jetzt wäre es dringend notwendig, ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um das Angebot dem Bedarf anzupassen anstatt für Verunsicherung zu sorgen. Die Argumente von Landesrätin Klambauer sind dabei faktenbefreit, wie im Folgenden deutlich sichtbar wird.

Finanzierung der Frauenhäuser

Die beiden Frauenhäuser in Salzburg werden jährlich mit 1,2 Millionen Euro gefördert. Das Geld reicht allerdings nicht, um den Betrieb der Frauenhäuser aufrecht zu halten. Die Betreiberinnen der beiden Frauenhäuser waren bereits bisher auf die Hilfsbereitschaft anderer angewiesen. So wird beispielsweise das Gebäude, in dem sich das Frauenhaus Hallein befindet, von der Erzdiözese mietfrei zur Verfügung gestellt. Das Gebäude in der Stadt Salzburg befindet sich im Eigentum der Wohnbaugenossenschaft „dieSalzburg“, was bedeutet, dass die Mietausgaben die Rückzahlungsraten des Wohnbaukredites sind und damit wieder ans Land zurück fließen. Der Nachtdienst in Hallein kann nur durch Spenden finanziert werden.

Landesrätin Klambauer stockt nun im Zuge der Ausschreibung das Budget um 50.000,– Euro auf, verbindet dies allerdings zugleich mit der Auflage, mehr Übergangswohnungen für Frauen zur Verfügung zu stellen. Da das Budget schon bisher zu gering war, um die Kosten zu decken, wird das – auch mit Blick auf die Wohnpreise in Salzburg – nicht möglich sein.

Dolmetscher & lange Aufenthalte

Die Landesrätin kritisiert auch einzelne Ausgaben der Frauenhäuser aufs Schärfste. So wird beanstandet, dass immer noch Dolmetscher vor Ort Übersetzungsleistungen anbieten, anstatt auf die kostengünstige Variante der Video-Dolmetscher umzusteigen. Allerdings braucht es im Frauenhaus auch ein gewisses Maß an Sensibilität, eine reine Übersetzungsleistung ist da zu wenig. Es geht ja darum, Frauen und Kinder wieder in ein selbstbestimmtes Leben frei von Angst zu begleiten. Das erfordert ein hohes Maß an Sensibilität und Vertrauen.

Weiters kritisiert Landesrätin Klambauer, dass die Frauen zum Teil viel zu lange in der Einrichtung Frauenhaus bleiben und schneller wieder in eine eigene Wohnung ziehen sollen.

Dabei muss man aber bedenken, dass Frauen, die ein Frauenhaus aufsuchen, meist eine lange Zeit des Leidens hinter sich haben. Dieses Leiden hinterlässt deutliche Spuren, da es bei Frauen oft zu einem mangelnden Selbstwertgefühl führt, sie lange in Angst und Abhängigkeit leben. Das Frauenhaus begleitet diese Frauen. In manchen Fällen braucht das mehr Zeit als bei anderen.

Datenschutz

Landesrätin Klambauer kritisiert außerdem, dass sich die Frauenhäuser weigern würden, die notwendigen Daten zur Verfügung zu stellen. So erhielt das Frauenhaus Hallein ein Schreiben vom „Referat 2/05 – Frauen, Diversität und Chancengleichheit“, in dem die Einsicht in Daten gefordert wurde. Hintergrund war ein Hinweis, dass sich eine Frau im Frauenhaus aufhalte, die keinen Gewaltschutz braucht. Das zuständige Referat verlangte Einsicht in die Dokumentation und eine Vor-Ort Kontrolle. Ein nahezu identes Schreiben ging kurze Zeit später an das Frauenhaus in der Stadt Salzburg.

Die Autonomen Frauenhäuser in Österreich haben strenge Aufnahmekriterien. Natürlich werden nur Frauen und Kinder aufgenommen, die Gewaltschutz brauchen. Eine Einsicht in die Dokumentation wird aus datenschutzrechtlichen Gründen verweigert und dient dem Schutz der Frauen.

Landesrätin Klambauer agiert, als hätten die Frauenhäuser etwas zu verbergen und beklagt die Intransparenz. Da Österreich allerdings die Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) ratifiziert hat, gibt es eine regelmäßige Überprüfung der Gewaltschutzmaßnahmen durch den Europarat. Die Ergebnisse werden im so genannten Grevio-Bericht festgehalten. Der letzte Bericht wurde 2016 erstellt, wo es heißt: „Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) stellt seit 1992 Daten aus allen AÖF-Frauenhäusern in seiner Statistik zur Verfügung. Dabei werden Daten aus allen AÖF-Frauenhäusern, die vom Frauenhaus Neunkirchen gesammelt werden, ausgewertet. Die Statistik wird im Fortschrittsbericht des AÖFs und als separates Dokument veröffentlicht. Beide Dokumente können gratis unter www.aoef.at heruntergeladen werden.“

Beanstandungen über mangelnde Transparenz sind dort nicht zu finden, da der Datenschutz besonders bei Gewaltopfern zugleich dem Personenschutz dient.

Die Autonome Frauenbewegung

Die Ausschreibung der Frauenhäuser lässt auch vermuten, dass sich Landesrätin Klambauer bislang wohl kaum mit dem Thema Gewaltschutz in Österreich auseinandergesetzt hat. Die Ausschreibung ist nämlich ein Angriff auf die Autonomie der Frauenhäuser, was ein kurzer Rückblick in die letzten Jahrzehnte klar belegt.

Bis in die 1960er Jahre war Gewalt an Frauen kein Thema, über das man in der Öffentlichkeit gesprochen hat. Gewalt in der Familie wurde als „Privatsache“ angesehen, in die sich der Staat nicht einmischen soll. Es ist der internationalen Frauenbewegung und insbesondere der Autonomen Frauenbewegung der 1970er Jahre zu verdanken, dass sich das geändert hat. Es waren engagierte Frauen, die versucht haben, für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, Schutz zu suchen. Gerade in den Anfängen waren das oft nur Betten, die zur Verfügung gestellt wurden. Zum Teil haben diese engagierten Frauen bei denen, die von Gewalt betroffen waren, geschlafen, um sie zu schützen falls der Ehemann sie findet.

Eine Gruppe Sozialarbeiterinnen hat in dann ein sozialarbeiterisches Konzept für Frauenhäuser ausgearbeitet und mit Unterstützung von Johanna Dohnal wurde 1978 der Verein „Soziale Hilfen für gefährdete Frauen und Kinder” ins Leben gerufen und noch im selben Jahr konnte dank finanzieller Unterstützung der Gemeinde das erste Frauenhaus in Wien eröffnet werden, das innerhalb kürzester Zeit überfüllt war.

Die Anforderungen im Gewaltschutz – besonders in den Frauenhäusern – haben sich natürlich seitdem verändert, die Frauenhäuser haben aber auch die Rahmenbedingungen angepasst. Dieses Erbe der Autonomen Frauenbewegung dem freien Markt zu überlassen, ist aus meiner Sicht eine Frechheit sondergleichen.


Titelbild: Pixabay

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